8 102 Das geltende Recht. 315
den über die Verwaltungsrechtspflege geltenden allgemeinen Grundsätzen. Zuständig
sind in erster Instanz die Bezirksräte, in zweiter (eventuell letzter Instanz) der Ver-
waltungsgerichtshof 7).
2. Ueber die Voraussetzungen, die Art und den rechtlichen Charakter der von der
Armenpflege zu gewährenden Leistungen bestimmt das Landesgesetz im wesentlichen
folgendes:
Die öffentliche Armenpflege, deren Verwaltung ausdrücklich als eine Staats-
aufgabe bezeichnet wird, tritt nur ein, wenn die zu unterstützenden Personen dauernd
oder vorübergehend außer stande sind, sich aus eigenen Mitteln oder durch eigene
Kräfte den „notdürftigen“ Unterhalt zu verschaffen, und wenn sie diesen Unterhalt
nicht durch rechtlich verpflichtete Dritte oder durch die freiwillige Armenpflege erhalten.
Die Verweisung an Dritte Verpflichtete ist aber nur dann zulässig, wenn nicht eine
sofortige Hilfeleistung nötig wird 2).
Ihrem Umfange nach hat sich die öffentliche Armenpflege zu erstrecken auf
Gewährung des „unentbehrlichen“ Unterhaltes, Erziehung, Unterricht und Erwerbs-
fähigung der Kinder, ärztliche Behandlung, Krankenverpflegung und Bestreitung des
Begräbnisses. Dabei ist die Verwendung der etwa vorhandenen Arbeitskraft für
Zwecke des Armenverbandes ausdrücklich gestattet 3). In welcher Art und Weise die
Verbände dieser Verpflichtung im einzelnen nachkommen, bestimmt sich in erster
Linie nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Das Gesetz läßt neben den früher bereits
erwähnten Pflegern, die in der offenen Armenpflege tätig sein sollen, vor allem
auch die Errichtung von öffentlichen Armenanstalten zu, für welche mit Staatsgeneh-
migung besondere, mit einer Disziplinarstrafgewalt ausgestattete Hausordnungen
erlassen werden können 1). Solche Anstalten können auch für mehrere Gemeinden
gemeinschaftlich errichtet werden. Eine ausdrückliche Verpflichtung zur Beschaffung
der für die Armenpflege nötigen Einrichtungen ist nur für die Gemeinden ausgespro-
chen. Zu diesen Einrichtungen zählt unter Umständen auch die Bereithaltung eines
vertragsmäßig zu bindenden Armenarztes.
Ueber die Voraussetzungen der Hilfsbedürftigkeit, sowie über die Art und das
Maß der zu gewährenden Unterstützung entscheiden auf Beschwerde der Beteiligten
die staatlichen Verwaltungsbehörden 5). Eine verwaltungsgerichtliche Klage findet
nicht statt.
Das Erschleichen einer Unterstützung durch unwahres Vorgeben oder Vorent-
haltung der Wahrheit wird, sofern die Tat nicht in Betrug oder Fälschung übergeht,
als besondere Uebertretung mit Haft bis zu vier Wochen polizeilich bestraft 0).
Sämtliche Leistungen der öffentlichen Armenpflege, die ein Unterstützter von
1) Unt. WGes. #§ 37 ff., 41, V RPfl G. 5#2 Ziff. 10.
2) IH 1—4 des Ges. Zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme der Armen-
mittel sind die Armenräte verpflichtet durch Zusammenwirkung mit den Organen der Stiftungs-
verwaltung und der freiwilligen Armenpflege eine möglichst einheitliche Leitung des gesamten ört-
lichen Armenwesens herbeizuführen. 5 28 des Ges.
3) & 18 des Ges.
4) & 19 des Ges. Als Zuchtmittel ist „Einsperrung“ bis zu zwei Tagen ausdrücklich zugelassen.
Bei wiederholten Uebertretungen kann auf Haft bis zu acht Tagen erkannt werden, die vom Ver-
walter der Ortspolizei auszusprechen ist.
5) Ges. v. 14. März 1872. 4.
6) § 8 des Ges.