Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

8 11 Rechtsunterschiede der Staatsangehörigen. 21 
  
III. Es entspricht dem Wesen des konstitutionellen Staates, daß seinen An- 
gehörigen auch ein Anteil zukommt am staatlichen Verfassungsleben. Ein Anspruch 
auf eine solche Anteilnahme, auf die Ausübung der sogen. politischen Rechte, 
steht, soweit es sich um die Bildung von Organen des Staates oder der Kreis- 
verbände handelt, wie erwähnt, grundsätzlich nur den Badenern zu. Bezüglich 
der aktiven Beteiligung an der Gemeindeorganisation ist diese Schranke zugunsten 
der Reichsangehörigen durchbrochen. 
Der Inhalt der politischen Rechte besteht einzig und allein in der Befugnis 
zur Mitwirkung bei der Bildung gewisser Organe, und diese Befugnis ist nach 
badischem Rechte auch in weitgehendstem Umfange rechtlich geschützt 1). Kein sub- 
jektives Recht der Staatsangehörigen dagegen, sondern lediglich eine Reflexwir- 
kung des geltenden objektiven Rechtes begründet die meist mit einer entsprechen- 
den Verpflichtung korrespondierende ausschließliche Fähigkeit der Staatsangehörigen 
oder Reichsinländer zur Bekleidung gewisser öffentlicher Aemter im Staat oder in 
der Gemeinde, wenn auch die Verf.-Urkunde (§ 9) hier von einem Anspruche der 
Staatsangehörigen redet. Die Absicht der fraglichen Bestimmung der Verf.-Urk. 
geht lediglich dahin, die Gleichheit der Verwendung der Staatsangehörigen 
im öffentlichen Dienst nochmals ausdrücklich zu proklamieren. 
§ 11. Rechtsunterschiede der Staatsangehörigen. I. Allgemeines. 
Dem Grundsatze der gleichen Behandlung vor dem Gesetz widerspricht es nicht, 
daß durch eine Gesetzesvorschrift selber oder durch eine dieser gleichstehende 
Rechtsnorm zwischen den einzelnen Staatsangehörigen gewisse rechtliche Unter- 
schiede begründet werden. Die Verfassungsurkunde hat denn auch eine Reihe 
von solchen Unterschieden nicht nur unberührt gelassen, sondern auch förmlich von 
neuem bestätigt. 
Soweit diese unterschiedliche Behandlung eine rechtliche Benachteili- 
gung gewisser Personenkreise enthielt, ist diesselbe in der Folge wieder be- 
seitigt worden. Dies gilt insbesondere bezüglich der rechtlichen Beschränkung der 
nicht zu den drei christlichen Konfessionen gehörenden Personen 2). 
Dagegen hat sich die zur Zeit der Erlassung der Verfassung bestandene 
rechtliche Bevorzugung bestimmter Klassen von Staatsangehörigen in 
einem gewissen Grade bis in die Gegenwart erhalten. 
Zu diesen Bevorzugungen, die nicht etwa als der Ausfluß einer staatlichen 
Organschaft oder wie die Sonderstellung der Mitglieder des Regentenhauses als 
Rückwirkung einer familienrechtlichen Beziehung zum Landesherrn erscheinen, 
sondern rein persönlicher Natur sind, gehören die besonderen Auszeichnungen 
und Sonderrechte, welche einzelnen Personen durch die Verleihung eines staat- 
lichen Ordens= und Ehrenzeichens, eines Titels oder durch den Besitz des Adels 
zukommen. 
II. Orden, Ehrenzeichen und Titel. Die Stiftung und Ver- 
1) Bgl. BRfl. 5 3 Ziff. 17 u. ff. 
2) Ges. v. 17. Febr. 1849 (Reg. Bl. S. 75) Gleichstellung der übrigen Religionsteile hins. 
der polit. Rechte; Ges. v. 15. Okt. 1862, Die bürgerliche Gleichstellung der Israeliten beir. 
(Reg. Bl. S. 450). Die noch bestehenden Reste der Leibeigenschaft wurden schon früher aufgehoben. 
(Gef. v. 5. Okt. 1820 und vom 10. April 1848.)
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.