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III. Es entspricht dem Wesen des konstitutionellen Staates, daß seinen An-
gehörigen auch ein Anteil zukommt am staatlichen Verfassungsleben. Ein Anspruch
auf eine solche Anteilnahme, auf die Ausübung der sogen. politischen Rechte,
steht, soweit es sich um die Bildung von Organen des Staates oder der Kreis-
verbände handelt, wie erwähnt, grundsätzlich nur den Badenern zu. Bezüglich
der aktiven Beteiligung an der Gemeindeorganisation ist diese Schranke zugunsten
der Reichsangehörigen durchbrochen.
Der Inhalt der politischen Rechte besteht einzig und allein in der Befugnis
zur Mitwirkung bei der Bildung gewisser Organe, und diese Befugnis ist nach
badischem Rechte auch in weitgehendstem Umfange rechtlich geschützt 1). Kein sub-
jektives Recht der Staatsangehörigen dagegen, sondern lediglich eine Reflexwir-
kung des geltenden objektiven Rechtes begründet die meist mit einer entsprechen-
den Verpflichtung korrespondierende ausschließliche Fähigkeit der Staatsangehörigen
oder Reichsinländer zur Bekleidung gewisser öffentlicher Aemter im Staat oder in
der Gemeinde, wenn auch die Verf.-Urkunde (§ 9) hier von einem Anspruche der
Staatsangehörigen redet. Die Absicht der fraglichen Bestimmung der Verf.-Urk.
geht lediglich dahin, die Gleichheit der Verwendung der Staatsangehörigen
im öffentlichen Dienst nochmals ausdrücklich zu proklamieren.
§ 11. Rechtsunterschiede der Staatsangehörigen. I. Allgemeines.
Dem Grundsatze der gleichen Behandlung vor dem Gesetz widerspricht es nicht,
daß durch eine Gesetzesvorschrift selber oder durch eine dieser gleichstehende
Rechtsnorm zwischen den einzelnen Staatsangehörigen gewisse rechtliche Unter-
schiede begründet werden. Die Verfassungsurkunde hat denn auch eine Reihe
von solchen Unterschieden nicht nur unberührt gelassen, sondern auch förmlich von
neuem bestätigt.
Soweit diese unterschiedliche Behandlung eine rechtliche Benachteili-
gung gewisser Personenkreise enthielt, ist diesselbe in der Folge wieder be-
seitigt worden. Dies gilt insbesondere bezüglich der rechtlichen Beschränkung der
nicht zu den drei christlichen Konfessionen gehörenden Personen 2).
Dagegen hat sich die zur Zeit der Erlassung der Verfassung bestandene
rechtliche Bevorzugung bestimmter Klassen von Staatsangehörigen in
einem gewissen Grade bis in die Gegenwart erhalten.
Zu diesen Bevorzugungen, die nicht etwa als der Ausfluß einer staatlichen
Organschaft oder wie die Sonderstellung der Mitglieder des Regentenhauses als
Rückwirkung einer familienrechtlichen Beziehung zum Landesherrn erscheinen,
sondern rein persönlicher Natur sind, gehören die besonderen Auszeichnungen
und Sonderrechte, welche einzelnen Personen durch die Verleihung eines staat-
lichen Ordens= und Ehrenzeichens, eines Titels oder durch den Besitz des Adels
zukommen.
II. Orden, Ehrenzeichen und Titel. Die Stiftung und Ver-
1) Bgl. BRfl. 5 3 Ziff. 17 u. ff.
2) Ges. v. 17. Febr. 1849 (Reg. Bl. S. 75) Gleichstellung der übrigen Religionsteile hins.
der polit. Rechte; Ges. v. 15. Okt. 1862, Die bürgerliche Gleichstellung der Israeliten beir.
(Reg. Bl. S. 450). Die noch bestehenden Reste der Leibeigenschaft wurden schon früher aufgehoben.
(Gef. v. 5. Okt. 1820 und vom 10. April 1848.)