§ 105 Die Arbeiterversicherung. Einleitung. 327
Unterbringung in einer Irrenanstalt nicht erforderlich sei. Dies Zeugnis muß
vom zuständigen Bezirksarzte oder von dem Vorstande einer öffentlichen Irren-
anstalt des Landes ausgestellt sein.
Vorübergehend können in solchen Anstalten Geisteskranke und Geistes-
schwache, auch wenn sie einer psychiatrischen Behandlung bedürfen, ausgenommen
werden, falls die Aufnahme dringlich erscheint, und die Unterbringung in einer
Irrenanstalt zur Zeit nicht ausführbar ist. In diesen Fällen muß jedoch spä-
testens mit Ablauf von vierzehn Tagen auf Anzeige des Krankenhausvorstandes
seitens des Bezirksamtes das förmliche Einweisungsverfahren nachgeholt werden.
Von jeder Aufnahme eines Geisteskranken oder Geistesschwachen in eine
öffentliche Krankenanstalt sowie von jeder Aufnahme eines Kranken in eine
Privatirrenanstalt, ebenso von jeder Entlassung ist dem zuständigen Bezirksarzte
unter Vorlage der Papiere binnen 24 Stunden Anzeige zu erstatten.
Für die staatlichen Irrenanstalten gelten neben den angeführten Vorschriften
noch die durch Verordnung des Min. d. Innern bezw. des Min. der Justiz,
des Kultus und Unterrichts aufgestellten besonderen Statuten, welche die Ver-
waltung der Anstalt, das Aufnahmeverfahren, die Behandlung der Kranken, die
Berechnung der Verpflegungskosten und die Entlassung regeln 1). Eine besondere
VO. des Min. d. Innern ordnet die Ueberwachung und die Statistik der außer-
halb der Staatsanstalten befindlichen Geisteskranken 2).
Die Vernachlässigung der Aufsicht über Geisteskranke und Blöd-
sinnige, die Mißhandlung derselben oder die Vernachlässigung der Pflege
sind mit polizeilichen Strafen bedroht (Geld bis zu 50 Mark und Geld bis zu
150 Mark oder Haft bis zu 6 Wochen) 8).
Viertes Kapitel.
Die Urbeiterversicherung.
§ 105. Einleitung. Beim Inkrafttreten der reichsrechtlichen Arbeiter-
versicherung fand sich in Baden ein Ansatz zu einer öffentlich-rechtlichen Arbeiter-
fürsorge nur in der Bestimmung des § 34 des badischen Armengesetzes, die in
Anlehnung an ältere Einrichtungen für Dienstboten, Fabrik= und Handarbeiter,
Gewerbsgehilfen und Lehrlinge, die am Dienstorte nicht im Familienverbande
lebten, die Möglichkeit einer durch Gemeindebeschluß zu begründenden Kranken-
pflegeversicherung für die Dauer von acht Wochen vorsah!#).
Durch die Einführung der reichsrechtlichen Krankenversicherung wurde diese
1) Statut der Heil= und Pflegeanstalt in Pforzheim 22. Juli 1889 (G.u. VOl. S. 115);
Illenau v. 31. Dez. 1891 (G.u. VOl. 1892 S. 1) Emmendingen 22. Juli 1889 (G.u. VOl. S.
131); Wiesloch 23. Oktob. 1905 (G.u. VO l. S. 448); die Verpflegungssätze dieser Anstalten wur-
den neu geregelt durch V O. v. 21. Dez. 1907 (G.u. VOl. S. 656). Für die Psych. Klinik Heidel-
berg: 12. Dez. 1878 (G. u. VOl. S. 159), seitdem mehrfach geändert; Freiburg v. 23. März 1887
(G. u. VOBl. S. 87).
2) VO. v. 10. Oktob. 1879 (G. u. VOBI. S. 782).
3) PStrGB. 85 97 und 88.
4) Für die Dienstboten enthielten auch die Ss 8 und 10 des Ges. v. 3. Febr. 1868 eine gewisse
auf die Dauer von 8—14 Tagen sich erstreckende Fürsorge. Der Grundsatz des §3 2 des RHaftpflicht-
Ges. war in viel weiterem Umfange anerkannt durch die Bestimmung des LRö. 13384.