§ 11 Rechtsunterschiede der Staatsangehörigen. 29
ehemaligen Reichsständen, im Beschwerdeweg angefochten, und auch hier entschloß
sich die Regierung, nachdem der mit Erlassung des Ediktes vom 16. April 1819
unternommene Ausgleichsversuch ergebnislos geblieben, die bestehende Streitfrage
im Wege der Verhandlungen zum Austrag zu bringen, die mit den einzelnen
Familien gesondert geführt wurden. Das Ergebnis dieser Verhandlungen war
eine Reihe von Vereinbarungen, die, wie dies bezüglich der Grundherren ge-
schehen, in der Form von Deklarationen veröffentlicht wurden 1).
Soweit diese Deklarationen ohne Mitwirkung der Stände ergingen, können
dieselben, ebenso wie die beiden grundherrlichen Deklarationen, auf rechtliche
Geltung nur Anspruch erheben, insofern sie mit dem der Verfassung einverleibten
Edikt vom 23. April 1818 nicht im Widerspruch stehen 2). Auch von ihren Be-
stimmungen ist ein erheblicher Teil inzwischen gegenstandslos geworden 3).
Mit der Auflösung des deutschen Bundes kam die den standesherrlichen
Rechten durch die Bundesakte gewährte völkerrechtliche Garantie in Wegfall.
Der Art. 58 Abs. 1 EG. zum BGB. hat die bezüglich der ehemals reichs-
ständischen Familien geltenden Sonderbestimmungen der Landesgesetzgebung und
im besondern auch ein demgemäß auszuübendes Hausgesetzgebungsrecht als fort-
bestehend ausdrücklich anerkannt, dieses Anerkenntnis bezieht sich jedoch nicht auf
die vordem ergangenen gesetzlichen Anordnungen des neuen Reiches, die neben
dem B. in Kraft geblieben sind 7.
2. Die Vorrechte der standesherrlichen Familien erstrecken sich
zum Teil auf sämtliche Familienmitglieder, teils nur auf das Fami-
lienhaupt.
Wer die Eigenschaft eines Familiengliedes besitzt, bestimmt sich ebenso nach
dem betreffenden Hausgesetz wie die Frage, wer Familienhaupt sei. Teilt sich
ein standesherrliches Haus in mehrere Zweige, so genießt das Haupt eines jeden
Zweiges die Stellung eines Familienhauptes 5).
1) a. Bez. der Fürstl. Fürstenbergschen Standesherrschaft durch VO. v. 12. Dez. 1823
Reg. Bl. 1824 Nr. 1. Ferner Uebereinkunft v. 4. Mai 1825 Reg. Bl. Nr. 9. b. Bez. der Fürstl.
Leiningenschen Stdsherrsch. V O. v. 22. Mai 1833, Reg. Bl. Nr. 25, ersetzt durch V O. v. 30. Juli
1840 Reg. Bl. Nr. 25 S. 177. c. Bez. der Fürstl. von der Leyernschen Stdsherrsch. VO. vom
7. Okt. 1830, Reg. Bl. Nr. 12 S. 135. d. Bez. der Fürstl. Löwenstein-Wertheimschen Stdsh.
BO. v. 14. März 1833 Reg. Bl. Nr. 11 S. 47, ersetzt durch das (mit Zustimmung der Stände
erlassene) Edikt v. 14. Januar 1885 Reg. Bl. Nr. 2 S. 13. e. Bez. der Gräfl. Leiningenschen
Standesherrschaften VO. v. 2. März 1826 Reg. Bl. Nr. 7 S. 39. f. Bez. der Fürstl. Salm-
Krautheimschen Stdsherrsch. B O. v. 6. Okt. 1825 Reg. Bl. Nr. 25 S. 173 und vom 27. März
1839 Reg. Bl. Nr. 10 S. 83.
2) Uebereinstimmend Dorner, D. bad. RPol G. S. 539, vgl. im übrigen Pfister a. a.
O. S. 331 ff. und Wielandt a. a. O. S. 20 Anm. 2. Einen Abdruck dieser Deklaration
gibt d. Handbuch für Bad. Juristen S. 61 ff.
3) Teils durch Aenderung der Gesetzgebung teils durch Verzicht der Berechtigten. Bgl. vor
allem d. Ges. über die Aushebung der befreiten Gerichtsstände vom 15. Febr. 1851, die Ge-
meindegesetzgebung, das Stiftungsgesetz, das Gesetz über die Aufhebung der Schulpatronate v.
28. April 1870, den durch Gesetz v. 24. Febr. 1849 festgelegten Verzicht des Fürsten v. Fürsten-
berg und der Fürsten v. Leiningen auf die Gerichtsbarkeit und Polizei. Die Verzichte der
Gräfl. Leiningenschen Stdsherrschaften auf die besondere Administration ihrer Waldungen und
auf mehrere ihnen entzogenen Befugnisse anderer Art. Bektm. d. Just. Min. v. 6. Juli 1865
Reg. Bl. S. 528 und 531. Einen ähnlichen Verzicht auf jeden Widerspruch gegen die landes-
gesetzliche Minderung seiner Rechte enthält bez. des Fürsten v. Leiningen die Bektm. des Just.=
Minist. vom 1. Mai 1865 (Reg.Bl. S. 233).
4) Bgl. G. Meyer-Anschütz, DSt. 229a.
5) Argum. Verf. Urk. § 28 Abs. 1.