Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

§ 119 Die Viehzucht. 401 
  
  
2. Die Versicherung der Rindviehbeständet). Eine allge- 
meine Vorschrift, wonach alle Rindviehbestände des Landes zwangsweise gegen die 
Schädigungen durch nicht seuchenartige Krankheiten versichert wären, gilt in Baden 
nicht. Dagegen ist seit dem Inkrafttreten des unterm 29. Juni 1890 erlassenen Gesetzes 2) 
die Möglichkeit eröffnet, innerhalb der einzelnen Gemeinden durch Gemeinderatsbe- 
schluß mit Zustimmung der Mehrheit der Viehbesitzer und mit Genehmigung des Be- 
zirksrates eine Ortsviehversicherungsanstalt ins Leben zu rufen, welche die Eigen- 
schaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechtes besitzt, und in der alles in der 
Gemeinde dauernd eingestellte Rindvieh gegen die durch Umstehen oder Notschlachtung 
der Tiere verursachten Verluste zu versichern ist. Die auf diese Weise begründeten 
Ortsversicherungsanstalten werden sodann zum Zweck gemeinschaftlicher Tragung 
des Schadens sowie zur Ermöglichung einer Versicherungsleistung im Falle eines 
Ortswechsels der Tiere und zur Uebernahme einer Schlachtviehversicherung zu einem 
Verband (Versicherungsverband) zusammengefaßt, der wiederum für sich ein eigenes 
Rechtssubjekt bildet. 
Das die öffentlich-rechtliche Viehversicherung einführende Gesetz vom 26. Juni 
1890, welches vor allem den Bedürfnissen des mittleren und kleinen Besitzes Rechnung 
tragen wollte, indem es demselben eine mit den nötigen Garantien ausgestattete und 
billig arbeitende Versicherungsgelegenheit darbot, hatte besonders wegen seiner weit- 
gehenden Zwangsbefugnisse in der Praxis nicht die erwünschte Aufnahme gefunden, 
weshalb durch eine unterm 12. Juli 1898 ergangene Novelle 2) diese Zwangsbefugnisse 
wieder etwas abgeschwächt, und die Aufnahme von Privatversicherungsvereinen in 
die Organisation erleichtert wurde #). Dagegen wurde die früher der Entschließung der 
Staatsverwaltung überlassene Gründung eines Versicherungsverbandes bindend 
vorgeschrieben. Ein unterm 22. Juli 1904 weiter erlassenes Nachtragsgesetz brachte 
im wesentlichen nur eine stärkere Beteiligung des Staates an der Tragung der Auf- 
wendungen des Verbandes. Die Vorschriften des RG. vom 12. Mai 1901 (VAß.) und 
des RG. v. 30. Mai 1908 (über den Versicherungsvertrag) finden auf die Viehversi- 
cherungsanstalten keine Anwendung (§F 119 VA.) und § 192 Vers. VG. 
Die zur Begründung einer Ortsviehversicherungsanstalt erforderliche Zu- 
stimmung der Viehbesitzer ist gegeben, wenn dem von einer gesetzlich bestimmten Zahl 
von Besitzern einzubringenden Antrage im Abstimmungstermin mehr als zwei Drittel der 
erschienenen Besitzer von dauernd in der Gemeinde eingestelltem Rindvieh ausdrücklich 
zustimmen. Eine Verpflichtung, die einmal begründete Anstalt auch eine gewisse Zeit hin- 
1) Bgl. hierzu Buchen berger a. a. O. Bd. II S. 1 ff., der vor allem auch einen treff- 
lichen Kommentar des Gesetzes v. 29. Juni 1890 geliefert hat. 
2) G.u. VOl. S. 493. 
3) G.u. VOl. S. 359. Auf Grund einer in diesem Gesetze erteilten Ermächtigung wurde so- 
dann der neue Gesetzestext durch Bekanntmachung des Minist. d. J. vom 22. September 1898 
(G.u. VOl. S. 451) im ganzen veröffentlicht. Zu dem Gesetze erging weiter unterm 22. Sept. 
1898 eine an die Stelle der älteren Bestimmungen tretende Vollz. V O. nebst Dienstweisung für 
die Anstaltsvorstände und die Ortsschätzer (G. u. VOl. S. 466). 
4) Art. 32 ff. des Ges. In den Verband können auch solche freien Vereine mitauf- 
genommen werden, die zur Zeit der Erlassung des Gesetzes bereits bestanden, oder nach Ablehnung 
der Anstaltsgründung von einem Drittel der Viehbesitzer begründet wurden. Für die Verwaltung 
dieser freien Vereine gelten im übrigen die für die Zwangsform vorgesehenen Gesetzes= und Ver- 
ordnungsbestimmungen. Art. 34 und Art. 2 Abs. 2 des Ges. 
Walz, Baden. 26
	        
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