30 Die natürlichen Grundlagen des Staates. Das Staatsvolk. 8 11
Die einzelnen Vorrechte des standesherrlichen Adels sind teils bloße Ehren-
rechte teils materielle Rechte ½).
Zu den ersteren gehören folgende Befugnisse:
a. Die standesherrlichen Häuser genießen als Mitglieder des hohen Adels
das Recht der Ebenbürtigkeit mit dem Hause des Landesherrn. Deren
Häupter gehören zu den ersten Standesherren im Staate.
b. Sie behalten Titel und Wappen von ihren ursprünglichen Stamm-
gütern und Herrschaften, jedoch mit Weglassung aller Beziehungen, die in ihren
vormaligen Verhältnissen zum deutschen Reich begründet waren.
cC. Das Familienhaupt darf sich in allen an den Landesherrn oder landes-
herrliche Behörden gerichteten Schriften Fürst und Standesherr, bezw. Graf und
Standesherr nennen, auch sich des Wortes „Wir“" bedienen. Es führt als Fürst
den Titel „Durchlaucht“, als Graf den Titel „Erlaucht". Die übrigen Mitglieder
der fürstlichen Familie haben ebenfalls das Beiwort „Durchlaucht"“, die der gräf-
lichen nur das Prädikat „hochgeboren“ zu beanspruchen.
Gegen die standesherrlichen Familien wird ein angemessenes Kanzleizeri-
monial beobachtet.
d. Die von ihnen zu leistende Huldigung bestimmt sich nach besonderen
Vorschriften.
Bezüglich der in den Deklarationen weiter aufgeführten Ehrenrechte des
Kirchengebetes, Trauergeläutes und Einstellung der Tanzmusiken gilt das früher
bei den Grundherren Gesagte. Ebenso ist das Recht, eigene Hofämter und Ver-
waltungskollegien zur Besorgung ihrer Vermögensverwaltung einzuführen, unter
Verleihung der die betreffenden Funktionen bezeichnenden Amtstitel und mit
Ausstattung von Uniformen heute ohne rechtliches Interesse, da es sich hierbei
überall um reine Privatbeamtungen handelt.
Als materielle Rechte sind zu erwähnen:
1. Das Recht der Autonomie (Selbstgesetzgebung).
Nach dem Inhalt des Ediktes vom 23. April 1818 gilt bezüglich dieses Rechtes
das gleiche, das oben bezüglich der ehemaligen Reichsritter gesagt worden 2).
Die späteren Deklarationen sprechen zwar nicht mehr von einer „Bestätigung“
durch den Landesherrn, sondern in Anlehnung an den Text des Art. XIV
Ziff. 2 der Bundes-Akte nur von einer „Vorlage“ an denselben und von einer
Bekanntgabe durch die höchsten Landesstellen zur allgemeinen Kenntnis und Nach-
achtung. Tatsächlich besteht aber in der Stellung des Landesherrn in beiden
Fällen kein Unterschied. Man hat in der Praxis deshalb wiederholt gerade auch
bei der Verkündigung standesherrlicher Hausgesetze eine förmliche Bestätigung ein-
treten lassen 3).
Wie für die Autonomie der ehemaligen Reichsritter, so gilt auch für die-
1) Die C Einteilung der Deklarationen ist eine andere. Sie unterscheiden: Persönliche Vor-
züge, Stellung zu den Gemeinden, nutzbare Rechte, Regierungsbefugnisse, Verhältnis zur Be-
steuerung, Dienerverhältnis, Lehensverhältnis.
2) Beispiele solcher Hausgesetze siehe Reg. Bl. 1860 S. 399 Hausgsetze der Fürsten und
Grafen von Leiningen; G.u. VOl. 1874 S. 531. Desgl. F. Leiningen, G.u. VOBl. 1898
S. 437 u. 1900 S. 333.
3) Uebereinstimmend Dorner, Bad. RPolG. S. 540.