Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

432 Die innere Verwaltung. Die geistige Verwaltung. 8 125 
  
  
Einen wesentlichen Fortschritt für das Elementarschulwesen brachte das vierte 
Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts, in welchem (durch zwei Verordnungen aus 
dem Jahre 1834) 1) die Einrichtung und die Aufsichtsbehörden sowie der Lehrplan 
der Volksschulen neu bestimmt und (durch ein Gesetz vom 28. August 1835) 2) die 
Rechtsverhältnisse der Volksschullehrer und die Deckung des Schulaufwandes ander- 
weit geregelt wurden. Das den Volksschulen damals verliehene Gepräge blieb den- 
selben auch nach dem Erlaß zahlreicher Ergänzungsgesetze in der Folgezeit bis zu der 
eingreifenden Gesetzgebung der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts in 
vollem Umfange gewahrt. 
Ueber das Verhältnis der Schulen zu den einzelnen Konfessionen war nichts 
bestimmt. Wenn auch der konfessionelle Charakter der Schulen, der sich übrigens 
immer nur auf die Konfession der Lehrer bezog, als die Norm angesehen wurde, 
so war doch das Vorkommen von konfessionell gemischten Volksschulen nicht ausge- 
schlossen 3). Die Aufsichtsbehörden bildeten in unterster Instanz der Ortsschulinspektor 
und der kollegiale Schulvorstand, d. h. der Ortspfarrer und die lokalen Kirchenver- 
waltungsorgane unter Zuzug des Bürgermeisters"!); in zweiter Instanz ein dem 
geistlichen Stande entnommener Bezirksschulinspektor und an oberster Stelle die 
Ministerialkirchensektionen, die seit dem Jahre 1843 zu besonderen Zentral-Mittel- 
behörden mit der Bezeichnung „Evangelischer“ und „Katholischer“ Oberkirchenrat um- 
gestaltet worden waren, sowie für israelitische Schulen der Oberrat der Israeliten. 
Daneben bestand noch, mit gewissen Aufsichtsfunktionen betraut und besonders zur 
obersten Leitung der gemischten Schulen bestimmt, die aus Mitgliedern verschiedener 
Konfessionen zusammengesetzte Oberschulkonferenz. 
Mit dem das badische Recht beherrschenden Prinzip, daß die Volksschule eine 
Staatsanstalt sei, war diese Einrichtung nur solange zu vereinigen, als der Staat über 
die in seinem Namen handelnden kirchlichen Organe noch eine eigene Amtsgewalt 
auszuüben in der Lage war. Sobald der Staat aber, wie dies mit dem Gesetze vom 
9. Oktober 1860 geschehen, den Kirchen eine der Staatsgewalt gegenüber selbständige 
Stellung eingeräumt hatte, war es, wenn er jenes Prinzip, das er in dem eben genann- 
ten Gesetze nochmals auf das schärfste betont hatte, tatsächlich durchführen wollte, 
eine Notwendigkeit, die Schulaufsicht in die Hände staatlicher Organe zu legen. 
Zu dem Zwecke wurde, und damit begann die dritte Periode in der Geschichte 
des badischen Schulrechtes, zunächst im Jahre 1862 im Verordnungswege eine neue 
weltliche zentrale Schulaufsichtsbehörde in dem früher bereits erwähnten Oberschul- 
rat geschaffen 5). Zwei Jahre darnach erfolgte eine gesetzliche Neuordnung der unteren 
und mittleren Schulaufsichtsbehörden 5). Für die örtliche Schulaufsicht wurde ein 
Ortsschulrat berufen, der aus dem Bürgermeister, einem Lehrer und mehreren von 
den Gemeindekollegien und den Konfessionsangehörigen gewählten Mitgliedern be- 
stand, und in den die Ortspfarrer der betreffenden Konfessionen eintreten konnten. 
Die mittlere Schulaufsicht wurde in die Hände von staatlich angestellten Kreisschul- 
räten gelegt, die als Einzelbeamte in einem Bezirke zuständig waren, der ungefähr 
dem Umfang eines der späteren Kreise gleichkam. 
Das erklärliche Verlangen der Regierung, für das gesamte Gebiet des Elementar- 
unterrichtes eine umfassende und zeitgemäße gesetzliche Ordnung zu schaffen, führte 
sodann im Jahre 1868 zum Erlaß eines neuen Gesetzes, das nicht nur die bisher bloß 
in Verordnungen enthaltenen leitenden Grundsätze für Schulordnung, Lehrplan, 
Ausbildung der Lehrer, sondern vor allem auch die Stellung des Staates gegenüber 
den von den Kirchen und anderen Personen errichteten Unterrichtsanstalten festlegte, 
und das, wenn es auch in der Folge durch eine Reihe von Novellen nach verschiedenen 
Seiten hin Ergänzungen und Abänderungen erfuhr, bis zur Gegenwart die Grund- 
lage des badischen Volksschulrechtes bildet. 
1) Ldh. VO. vom 15. Mai 1834 (Reg. Bl. S. 177 ff.) und VO. des Min. d. J. v. 30. Mai 
1834 (Reg. Bl. S. 191 ff.). 
2) Reg. Bl. 1835 S. 307 ff. 
3) Vgll. Joos a. a. O. Einl. S. 22. 
4) Für konfessionell gemischte Schulen wurden der Inspektor und der Schulvorstand durch An- 
ordnung der Oberschulbehörde im Einzelfalle bestellt. 
5) Ldh. VO. v. 12. Aug. 1862 (Reg. Bl. S. 325 ff.). 
6) Ges. v. 29. Juli 1864 (Reg. Bl. S. 405).
	        
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