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vertreter sondern auch die Arbeits= und Lehrherren verantwortlich, welche die schul-
pflichtigen jungen Leute anzumelden und ihnen die zum Schulbesuch nötige Zeit ein-
zuräumen haben. Zuwiderhandlungen werden mit Geldbuße bis zu 50 Mark ge-
ahndet. Bezüglich der Beschaffung der von den Eltern und deren Stellvertretern zu
stellenden Unterrichtsmittel gelten die analogen Vorschriften des Elem. Unt. Gesetzes.
Die Trägerin der Schullast ist die Gemeinde bezw. der Schulverband. Der Unter-
richt wird von Lehrern der Volksschule erteilt, an die sich die ganze Einrichtung an-
schließen soll, und erstreckt sich auf mindestens zwei Wochenstunden. Aus besonderen
Gründen kann der Unterricht jedoch, vorausgesetzt, daß er wenigstens drei Stunden
umfaßt, auch auf das Winterhalbjahr beschränkt bleiben.
Die Bezahlung der Lehrer erfolgt aus der Gemeindekasse, vorbehaltlich der nach
den Grundsätzen des Elementar-Unt. Ges. (für die kleineren Gemeinden) zulässigen
Ueberwälzung auf die Staatskasse.
Als Aufsichtsorgane über die Fortbildungsschule fungieren die mit der Ueber-
wachung des Volksschulwesens betrauten Schulbehörden.
Durch VO. vom 26. Nov. 189141) ist gestattet, daß auf Antrag einer Gemeinde
der gesetzlich vorgeschriebene Fortbildungsunterricht für Mädchen in Gestalt einer
Unterweisung in der Haushaltungskunde mit Uebungen im Kochen er-
teilt wird. Ueber die fachlichen Fortbildungsschulen siehe unter § 131.
* 128. Die Erziehung und der Unterricht der nicht vollsinnigen Kinder. Bereits
im Gesetze vom 13. Mai 1892 war vorgesehen, daß für die Kinder, die wegen körper-
licher oder geistiger Gebrechen nicht mit Erfolg am Unterricht der Volksschule teil-
nehmen können, eine besondere, durch Gesetz zu regelnde Fürsorge Platz greifen solle 2).
Die Erfüllung dieser Zusage erfolgte durch ein Gesetz vom 11. August 1902, welches
aber erst am 1. April 1904 in Wirksamkeit trat 3). Dasselbe statuiert auch bezüglich
dieser Kinder, soweit sie noch bildungsfähig sind, eine auf die Beibringung der Ele-
mentarkenntnisse gehende Unterrichtspflicht, erleichtert aber, vor allem was die Taub-
stummen und Blinden angeht, deren Durchführung, indem es staatliche Anstalten zur
Verfügung stellt, in welchen diese Kinder freien Unterricht und Verpflegung erhalten
können ).
Die vorgeschriebene Bildungszeit ist ebenfalls auf 8 Jahre erstreckt, nimmt aber
in der Regel erst mit dem vollendeten achten Lebensjahre ihren Anfang. Ein Zwang
zur Aufnahme eines Kindes in eine Anstalt kann nur nach Maßgabe der Bestimmungen
des BG#B. ausgeübt werden. Ueber die Aufnahme beschließt die Oberschulbehörde 5).
Für die Kosten der Verpflegung in der Anstalt hat, soweit nicht eigenes Vermögen
des Zöglings oder unterhaltspflichtige Verwandte zur Verfügung stehen, die Ge-
1) G. u. VOl. S. 235. Vgl. über deren Vorgeschichte Joos, Elem. Unt. S. 752 u. ff.
2) 53 3 Abs. 1 El. Unt. Ges.
3) G.u. VOl. 1902 S. 241. Ldh. V O. v. 2. März 1904 Ziff. 1 (G.u. VOl. S. 27). Vgl.
ferner die Vollz. V O. vom 9. Juni 1904 (G.u. VOl. S. 98 ff.).
4) §§8 I1 u. ff. des Ges. Die Verpflichtung der Eltern erstreckt sich auch auf die Anmeldung der
Schulpflichtigen. Die Staatsbehörde hat auch hier ein Ueberwachungs= und Ergänzungsrecht hin-
sichtlich des in privater Form erteilten Unterrichtes.
5) §5 und § 6 des Ges. Der Rekurs wird vom Unterr. Minist. im Einvernehmen mit dem
Minist. d. J., und falls dies Einvernehmen nicht zu erreichen ist, durch das Staats Minist. erledigt.
Ldh. VO. vom 2. März 1904 Ziff. 2.