444 Die innere Verwaltung. Die geistige Verwaltung. § 129
Jede Schule hat einen Vorsteher, dem bei der Beaufsichtigung und Leitung
der Anstalt ein Beirat oder Aufsichtsrat zur Seite steht. Der Vorsteher vertritt
die Schule nach Außen. Streitigkeiten hinsichtlich des Beitragsverhältnisses zu den
Mittelschulen zwischen Staat und Gemeinde werden vom Verw. Ger. Hof in erster
und letzter Instanz entschieden 1). Die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte ist
ferner begründet bei Streitigkeiten über das zu entrichtende Schulgeld 2), nicht jedoch,
auch nicht hinsichtlich der von den Gemeinden mit begründeten Schulen, soweit es
sich um das Recht eines Einzelnen auf satzungsgemäße Benützung der Anstalt handelt.
Das durch das Ges. vom 23. Mai 1822 3) gewährte Recht, die Aufnahme in eine
Mittelschule verlangen zu können, entbehrt noch des gerichtlichen Schutzes.
2. Die Gelehrtenschulen zerfallen in Gymnasien, Progymnasien und
Pädagogien. Ihre derzeitige Organisation beruht auf der landesherrlichen VO. vom
1. Okt. 18694). Die Gymnasien haben einen Lehrkurs von neun, die Progymnasien
einen solchen von sieben, und die Pädagogien einen solchen von fünf Jahren. Mit
den Gelehrtenschulen können höhere Bürgerschulen (s. unten) verbunden werden.
Der Lehrplan der Gelehrtenschulen erstrebt eine „formale Bildung des Geistes
hauptsächlich mittels sprachlicher und mathematischer Studien, andererseits durch
Einführung in das Geistesleben, namentlich der antiken Welt“. Den „Schwerpunkt
bildet das Studium des Lateinischen und Griechischen. Ihren Abschluß findet diese
Bildung in der sicheren Handhabung der Muttersprache in Schrift und Wort"“ 5).
Der Beirat der Gelehrtenschulen besteht aus dem Anstaltsdirektor, einem
Anstaltslehrer, einem Arzt und zwei bis vier Einwohnern des Sitzes der Anstalt. Die
letzteren sowie der Anstaltslehrer werden vom Oberschulrat berufen. Dort hat der
Gemeinderat ein gewisses Vorschlagsrecht, hier die Lehrerkonferenz. Der Arzt wird
vom Ministerium ernannt. Der Vorsitzende wird aus der Reihe der berufenen Ein-
wohner vom Ministerium bestimmt. Die Zuständigkeit des Beirates erstreckt sich auf
organisatorische Fragen allgemeiner Art, sowie insbesondere auch auf die Handhabung
der Disziplin in schweren Fällen #).
2. Die Realmittelschulen, welche sich von den Gelehrtenschulen durch
eine stärkere Betonung des Unterrichtes in den Realfächern, sowie durch die Vertau-
schung des Englischen mit dem Griechischen unterscheiden, zerfallen in solche, die das
Lateinische als Pflichtfach beibehalten, und solche, welche in ihrem sprachlichen Unter-
richtsgebiete nur lebende Sprachen kennen 7). Die ersteren heißen, wenn sie neun
Für die Reallehrerprüfung gilt die VO. v. 20. Mai 1881 (G.u. VOBl. S. 151), abgeändert 20.
März 1902 (S. 59).
1) VRPflG. F 3 Ziff. 5.
2) Das Verhältnis zwischen dem Unternehmer der Schule und dem Privaten, der dieselbe
benutzt, ist ein öffentlich-rechtliches, und das Schulgeld erscheint als eine öffentliche Abgabe. 2
Ziff. 2; §& 3 Ziff. 1 VRpfl es. (Fassung des Ges. vom 30. Juli 1904). Die Verijährungsbestim-
mung in § 196 Ziff. 11 Be(6B. bezieht sich nur auf die Forderung selbständiger Anstalten.
3) Ges. über die Studienfreiheit vom 23. Mai 1822 § 8 (Reg. Bl. S. 49).
4) G.u. VO l. S. 359.
5) 42 der angef. VO. Näher ausgeführt durch V O. vom 2. Okt. 1869 betr. den Lehrplan,
die Schulordnung und die Abiturientenprüfung (G.u. VOl. S. 3606).
6) Die näheren Bestimmungen finden sich in den durch die Ldh. VO. v. 10. Mai 1886 zur
oben angef. V O. bewirkten Zusätzen (G.u. VO Bl. S. 289) und in der allgemeinen Schulordnung.
7) Deren Organisation ist neu geregelt durch die Ldh. V O. vom 5. Juni 1893 (G.u. VO Bl.
S. 49).