Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

* 131 Die Fachschulen. 451 
  
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Den Gewerbeschulen wird die Aufgabe zugewiesen: die gewerblichen 
Arbeiter beiderlei Geschlechts in unmittelbarer Fühlung mit der Meisterlehre theo- 
retisch auszubilden und ihnen tunlichst diejenigen Kenntnisse und Fertigkeiten für die 
Ausübung ihres Gewerbes zu vermitteln, zu deren Aneignung in den Gewerbebetrie- 
ben nach den allgemeinen und örtlichen Verhältnissen nicht genügende Gelegenheit 
geboten ist 1). 
Die Handelsschulen sollen die jungen Kaufleute beiderlei Geschlechtes in 
den für ihren Beruf wichtigen Fächern ausbilden und ihnen diejenigen Kenntnisse 
vermitteln, zu deren Aneignung ihnen in ihrer praktischen Tätigkeit nicht genügende 
Gelegenheit geboten wird. 
Beide Schulen haben neben der berufsmäßigen Ausbildung der Schüler auch 
auf die Stärkung des Charakters sowie auf die Hebung des Standesbewußtseins der 
Schüler hinzuwirken. Beide können ferner ihre Wirksamkeit auch auf andere der Aus- 
bildung des betreffenden Standes dienende Einrichtungen ausdehnen; die Gewerbe- 
schulen können insbesondere Veranstaltungen zur Weiterbildung der Gehilfen und selb- 
ständigen Gewerbetreibenden sowie zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung treffen 2). 
Zur Gründung einer Gewerbe= oder Handelsschule soll nur geschritten werden, 
wenn die Gemeinden sich verpflichten, für den Aufwand jeder Art aufzukommen, der 
für die ordnungsgemäße Einrichtung und für einen dem Lehrplan und der Schul- 
ordnung entsprechenden Betrieb der Anstalt erforderlich ist, soweit dieser Aufwand 
nicht von der Staatskasse, durch sonstige Fonds oder durch das Schulgeld gedeckt ist. 
Wie der Zweck der Anstalten, so sind auch die Lehrpläne und die Grundzüge der 
Schulordnung in den beiden Verordnungen staatlicherseits festgelegt. Der Unter- 
richt wird von besonderen staatlichen Handels= und Gewerbelehrern erteilt, für deren 
Vorbildung durch weitere Verordnungen eingehende Anordnungen getroffen sind 3). 
Den Gemeinden ist, im Gegensatz zum Elementarunterrichtsgesetz und zu der Ge- 
werbeschulverordnung von 1868 ein Mitwirkungsrecht bei der Wahl oder Ernennung 
der Lehrkräfte nicht eingeräumt ½. 
Als örtliche Aufsichtsbehörde über die beiden Schulen fungiert ein Handels- 
schulrat oder Gewerbeschulrat, d. h. ein Kollegium, dem mindestens ange- 
hören sollen: der Bürgermeister als Vorsitzender, ein weiteres Mitglied des Gemeinde- 
vorstandes, der durch einen der Lehrer gebildete Schulvorstand, bei größeren Schulen 
ein weiterer, auf Vorschlag des Lehrerkollegiums vom Landesgewerbeamt ernannter 
Lehrer, je zwei Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer und, wo die Anstalt von 
weiblichen Schülern besucht wird, eine „mit den einschlägigen Verhältnissen vertraute 
1) G.u. VOl. S. 287 und S. 293. Ueber die gewerblichen Fortbildungsschulen vgl. Erlaß 
des Oberschulrates v. 21. Febr. 1891 (Schul. VO#l. S. 19) und Erlaß des (ehemal.) Gr. Gewerbe- 
schulrates an die Bezirksämter vom 8. Jan. 1904 Nr. 200. 
2) In Pforzheim ist in der Gewerbeschule eine besondere Abteilung als Goldschmiedeschule 
eingerichtet. S. auch oben S. 449 Anm. 2. 
3) Neu erlassen mit V O. vom 4. Aug. 1907 (G. u. VOl. S. 304) für die Handelslehrer, und 
vom 5. Aug. für die Gewerbelehrer (S. 308). 
4) Die Regierung hat jedoch tatsächlich bezüglich der etatmäßigen Stellen den Gemeinden 
gestattet, etwaige Bedenken geltend zu machen und Wünsche zu äußern. Die Besetzung der Stellen 
der Nebenlehrer ist dem Gemeindevorstand ganz überlassen (vorbehaltlich der staatlichen Geneh- 
migung). Wegen der Ruhegehalte und der Hinterbliebenenversorgung der Lehrer vgl. die Art. 
16 f. d. Etat.Ges. 
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