l 132 Die nicht unter staatlicher Leitung stehenden Lehr= und Erziehungsanstalten. 453
Zieles in gewissem Umfange gegen seine Angehörigen einen Zwang ausübt, so be-
ansprucht er dennoch für die Erteilung des Unterrichtes, auch insoweit derselbe gesetz-
lich vorgeschrieben ist, kein Monopol. Die Mitarbeit an der Erziehung und Bildung
des Volkes durch Unterrichtserteilung ist vielmehr allen zum Staate gehörenden Per-
sonen grundsätzlich gestattet, mögen dieselben sich auf diesem Lebensgebiete als Ein-
zelne betätigen wollen, oder in der Zusammenfassung zur juristischen Person. Nur
hinsichtlich des „öffentlichen“ Unterrichtes verlangt der Staat für sich das ausschließ-
liche Recht der „Leitung“ 1).
Aber auch dieses letztere Postulat ist nicht mit voller Strenge festgehalten, son-
dern der Gesetzgeber hat selber, sei es mit ausdrücklichen Worten, sei es stillschweigend,
neben dem Staate noch andere Rechtssubjekte zur eigenen Leitung gewisser Arten
des öffentlichen Unterrichtes, bald in geringerem, bald in weiterem Umfange er-
mächtigt. Dies gilt zugunsten der Kirchen, abgesehen von der Leitung des den übri-
gen Lehranstalten eingegliederten Religionsunterrichtes, für die von ihnen eingerich-
teten selbständigen Anstalten zur theologisch-praktischen Vorbildung der künftigen
Geistlichen und für die kirchlichen Konvikte 2), zugunsten der Kreise für die innerhalb
der Kompetenz dieser Verbände bleibenden „Kreisschulanstalten“ 3), zugunsten der
Handelskammern für gewisse Unterrichtsveranstaltungen 4) und vor allem
für die in weitem Umfange mit zur Verwaltung des Unterrichtswesens herangezogenen
und nach §6 Gde.(St.) Ordg. mit einem grundsätzlich unbeschränkten Selbstverwaltungs-
recht ausgestatteten Gemeinden. Macht eines der genannten Rechtssubiekte von der
ihm eingeräumten Befugnis Gebrauch, so bedarf es, wenn das ermächtigende Gesetz
nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmt, zur Errichtung einer Unterrichtsanstalt
keiner besonderen staatlichen Mitwirkung mehr, und die Leitung der dann geschaffenen
öffentlichen Schule steht allein bei ihrem Gründer. Die staatliche Tätigkeit gegenüber
solchen Anstalten beschränkt sich auf die Ausübung einer allgemeinen polizeilichen Auf-
sicht. (Verhütung von Verstößen gegen die gute Sitte, von Gefährdungen des Staates
oder von Gefährdungen der Gesundheit der Schüler) 5).
Dasselbe Verhältnis findet statt, wenn eine Lehr= und Erziehungsanstalt von
einem Privaten errichtet wird. Nur ist hier zur Erleichterung der Ueberwachung
eine Anzeige an die Staatsbehörde vorgeschrieben "). Bezweckt die Privatlehranstalt
die Unterweisung schulp flichtiger Kinder, so wird weiter die Erfüllung gewisser
Voraussetzungen verlangt, welche die Erreichung des Lehrzieles der Volksschule ge-
währleisten 7). Bevor der Nachweis dieser Voraussetzungen erbracht ist, darf die An-
stalt nicht eröffnet werden. Die Staatsbehörden haben sich überdies durch Vornahme
1) 5 6 des Ges. v. 9. Oktob. 1860 über die rechtliche Stellung der Kirchen usw.
2) 5 12 des angef. Ges. (Fassung v. 5. Juli 1888).
3) 5 41 Ziff. 3 Verw. Ges.
4) Ges. v. 11. Dez. 1878 (Fassung v. 12. Sept. 1898) Art. 15 a (G. u. VOBl. 1898 S. 421 ff.).
5) Diese Praxis wurde bisher regelmäßig gegenüber den reinen Kreisschulanstalten beobachtet
(Haushaltungsschulen). Gegenüber den Gemeinden wurde wiederholt der Versuch gemacht, ein
besonderes staatliches Genehmigungsrecht zu beanspruchen, wie es bezüglich der sogen. Korpora-
tionsschulen gilt (vgl. im Texte weiter unten und Erlaß des Kultus Min. v. 30. April 1908 Nr. B 3489
bezüglich der von der Gemeinde Freiburg errichteten Frauenarbeitsschule).
6) & 115 des Elem. Unt. Ges.
7) 5§ 110 ff. des Ges. Frauen dürfen solche Schulen nur dann als Vorsteherinnen leiten,
wenn die Anstalt ausschließlich für Mädchen bestimmt ist.