Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

462 Die innere Verwaltung. Die geistige Verwaltung. § 136 
  
rechte in bezug auf die Religion der Kinder, und das fünfte endlich (abgedruckt S. 381) 
stellte für den Fall des Amtsmißbrauches der Geistlichen eine Reihe von Strafdrohun= 
gen auf, die in das Landesstrafgesetzbuch eingeschoben wurden. 
An diese Gesetze schlossen sich zwei landesherrliche Entschließungen an, deren eine 
(abgedruckt S. 382/83) die unterm 28. Juni 1859 mit dem päpstlichen Stuhle abge- 
schlossene Uebereinkunft für wirkungslos erklärte, während die andere (abgedruckt 
S. 383/84) eine dem ersten der angeführten Gesetze entsprechende Aenderung der 
Verfassung der vereinigten evangelisch-protestantischen Kirche anordnete und die 
sofortige Einberufung einer Generalsynode vorschrieb. Für deren Beschlüsse war die 
Bestätigung des Landesherrn als des „obersten Bischofs“ vorbehalten. 
Das erste der angeführten Gesetze (das Kirchenverfassungsgesetz) hat inzwischen 
mannigfache Aenderungen erfahren, die in den siebenziger Jahren eine die Freiheit 
der Kirchen mehr einschränkende Tendenz zeigten, vom Jahre 1880 an aber sich in 
entgegengesetzter Richtung bewegten. 
Das dritte Gesetz wurde gegenstandlos mit der im Jahre 1870 erfolgten allgemeinen 
Einführung der bürgerlichen Standesbeamtung 1). Die im fünften Gesetze enthaltenen 
Ergänzungen des Landes-Straf GB. wurden bei der Einführung des RStEGB. auf- 
gehoben 2). Durch die unterm 19. Februar 1874 erlassene Novelle zum Kirch. Verf.G.3) 
gelangten jedoch wieder neue Strafdrohungen wegen Mißbrauchs der geistlichen 
Funktionen zur Aufstellung, die als §§ 16 ak in jenes Gesetz ausgenommen wurden, 
und die auch die Errichtung eines besonderen Gerichtshofes für kirchliche Angelegen- 
heiten mitvorgesehen hatten. Eine Novelle vom 5. Juli 1888 hob diese letztere Ein- 
richtung wieder auf; eine weitere Einschränkung brachte das Gesetz vom 2. Sept. 1908). 
Die Ordnung der im Kirch. Verf.Ges. den Kirchen und dem Staate gemeinschaft- 
lich zugewiesenen Verwaltung des Kirchenvermögens erfolgte durch zwei landesherrliche 
Verordnungen vom 20. November 1861 für die katholische und vom 28. Februar 1862 
für die evangelische Kirche 5). 
Die Erstarkung der altkatholischen Bewegung im Lande führte im Jahre 
1874 unterm 15. Juni zum Erlaß eines besonderen, die Rechtsverhältnisse der Alt- 
katholiken regelnden Gesetzes, an das sich unterm 27. Juni gl. J. eine Vollzugsverord- 
nung anschloß 6). 
Mit Rücksicht auf die Zunahme der kirchlichen Bedürfnisse und den gleichzeitigen 
Rückgang der vorhandenen Mittel’), sowie, um die veraltete Gesetzgebung über die 
Verteilung der Kirchenbaulast, wie sie im Kirchenbauedikte vom Jahre 1808 5) nieder- 
gelegt war, zeitgemäß weiterzubilden, wurde zunächst durch ein Gesetz vom 26. Juli 
1888 9?) den beiden großen Kirchen und den Altkatholiken das Recht verliehen, für 
ihre örtlichen kirchlichen Bedürfnisse eine mit den Zwangsmitteln des Staates 
ausgestattete Besteuerung einzuführen, worauf durch ein Gesetz vom 18. Juni 1892 
das Besteuerungsrecht auch zur Deckung allgemeiner bkirchlicher Bedürfnisse 
zugestanden wurde und zwar grundsätzlich allen als öffentliche Korporationen aner- 
kannten Religionsgemeinschaften 10). 
Beide Gesetze haben, nachdem das erstere bereits im Jahre 1896 11) in einzelnen 
Punkten abgeändert worden, mit der Einführung der Vermögenssteuer eine tief- 
gehende Umarbeitung erfahren, die zu einer Neuveröffentlichung ihres ganzen Textes 
1) 0 Ges. v. 21. Dez. 1869 (G.u. VOl. S „58). 
2) AG. zum RStrGB. Art. 1(G.u. 39.S S. 431). 
3) G.u. VOl. S. 93. 
4) G.u. VOBl. 1888 S. 327 und 1908 S. 503. 
5) Reg. Bl. 1861 S. 465 und 1862 S. 87 
6) G.u. VOl. S. 277 und S. 335. 
7) Bereits im Jahre 1876 wurde es als eine Notwendigkeit anerkannt, den gering besoldeten 
Geistlichen beider Konfessionen aus staatlichen Mitteln eine Aufbesserung zukommen zu lassen 
(Ges. v. 25. Aug. 1876), eine Einrichtung, die seitdem beibehalten wurde, auch nachdem den Kir- 
chen ein Besteuerungsrecht verliehen worden war. Vgl. im Texte des # 139. 
8) Reg. Bl. S. 114. 
9) G.u. VO Bl. S. 383. 
10) G.u. VOBl. S. 279. Zugleich wurde der Regierung das Recht eingeräumt, diese Kor- 
porationen auch zur abrilichen Besteuerung zuzulassen. (Art. 32 des Ges.) 
11) G.u. VOnl. S. 145.
	        
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