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unter den Bezeichnungen Ortskirchensteuergesetz und Landeskirchensteuergesetz Veran-
lassung gab 1). Im Anschluß hieran wurde die bisher für die evangelische Kirche
erlassene allgemeine Kirchensteuerverordnung durch eine neue „Evangelische Landes-
kirchensteuerordnung“ ersetzt und eine neue Vorschrift über die Erhebung von allge-
meinen Steuern für die katholische Kirche unter der Bezeichnung „Katholische Landes-
kirchensteuerverordnung“ erlassen?).
Die Rechtsverhältnisse der israelitischen Religionsgemeinschaft wurden
in dem Edikt vom 13. Januar 1809 des näheren geregelt, das die „Judenschaft des
Großherzogtums“ als einen eigenen konstitutionsmäßig ausgenommenen Religionsteil
anerkannte, und das heute noch die Grundlage des Rechtszustandes dieser Religions-=
gemeinschaft bildet, obwohl einzelne Vorschriften desselben inzwischen veraltet oder
durch spätere Anordnungen aufgehoben sind 3). Zur Durchführung der in jenem
Edikte niedergelegten Grundsätze sind inzwischen eine Reihe von Einzelverordnungen
ergangen, welche sich mit der Ausgestaltung der inneren Verfassung der israelitischen
Religionsgemeinschaft beschäftigen. Mit landesherrlicher VO. vom 27. Februar 18944)
wurde auf den Antrag der Gemeinschaft das Landeskirchensteuergesetz vom 18. Juni
1892 und mit landesherrlicher VO. vom 20. August 1895 5) wurde auf Grund des
damaligen Art. 32 des angeführten Gesetzes der wesentliche Inhalt des Ortskirchen-
steuergesetzes auf die israelitische Religionsgemeinschaft ausgedehnt. Die in der Verf.=
Urk. den Israeliten noch vorenthaltene Gleichstellung hinsichtlich der Ausübung der
politischen Rechte wurde durch das Abänderungsgesetz zur Verf. Urk. vom 17. Februar
1849 6) gewährt; die volle bürgerliche Gleichstellung der Israeliten auf gemeinde-
rechtlichem Gebiet wurde erst mit dem Ges. vom 4. Oktober 18627) ausgesprochen.
§ 137. Die Gewissens= und Religionsfreiheit. Nach § 18 der Verf. Urk. genießt
jeder Landeseinwohner der ungestörten Gewissensfreiheit und in Ansehung der Art
seiner Gottesverehrung des gleichen Schutzes. Die §§ 9 und 19 der Verfassung sowie
die beiden Gesetze vom 17. Februar 1849 und vom 4. Oktober 1862 beseitigten, was
inzwischen auch durch das RG. vom 3. Juli 1869 5) geschehen, jede mit der Zugehörig-
keit zu einem bestimmten religiösen Bekenntnisse bisher etwa verbundene rechtliche Be-
nachteiligung im öffentlichen Leben. Es kann in Baden weder ein Zwang zur Annahme
eines Glaubensbekenntnisses noch zum Verbleiben in einer Religionsgemeinschaft
oder zur Teilnahme an einer religiösen Handlung derselben stattfinden. Jedermann
steht die Wahl der Religion frei. Durch die Kirchensteuergesetze ist indessen vorgeschrie-
ben, daß der Austritt aus einer der mit dem Besteuerungsrechte versehenen religiösen
Gemeinschaften, um bürgerliche Wirkung zu haben, von dem Austretenden vor der
Bezirksverwaltungsbehörde seines Wohnortes persönlich erklärt werden muß?).
Weiter kommt das Recht zur Wahl einer bestimmten Religion nur denjenigen
Personen zu, die das sechzehnte Lebensjahr vollendet haben 10). Die religiöse Erziehung
der unter dieser Altersgrenze stehenden Personen bestimmt bei ehelichen Kindern
1) G.u. Vl. S. 767 und 777 ff. Eine Abänderung des Landesg. St e- hinsichtlich des
zulässigen Steuerfußes brachte das Ges. v. 15. Aug. 1908 (G.u. VOl. S. 4
2) VO. vom 1. Nov. 1907 (G.u. VOBl. S. 477 ff. für die ev. K. und 547 f. d. kath. K.
Durch Verordnungen v. 1. und 15. Mai 1908 wurden sodann auch die für die Erhebung der
örtlichen K. Steuern geltenden Vorschriften umgearbeitet. (Evangelische und Katholische Orts-
kirchensteuerverordnung) G.u. VOBl. S. 117 u. 219.
3) Reg. Bl. S. 29.
4) G.u. VOBl. S. 47.
5) G.u. VOBl. 359.
6) Reg. Bl. S. 7
7) Reg. Bl. S
8) BGB. 292 (G.u. VOl. 1870 Beil. S. 128).
9) Art. 19 * Ortskirchenst. Ges.
10) Vgl. zum folgenden das Ges. v. 9. Okt. 1860 (G.u. WO l. S. 380), das durch die Einf. des
Be. nicht berührt wurde. Art. 134 EG. zum BGB.