Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

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Die innere Verwaltung. Die geistige Verwaltung. § 138 
  
der Vater, bei außerehelichen die Mutter. Die Konfession dieser beiden ist für die Kin- 
der auch dann maßgebend, wenn bezüglich der religiösen Erziehung eine Anordnung 
nicht getroffen ist. Sind die Eltern unbekannt, so entscheidet der Vormund; ist die 
Sorge für die Person des Unmündigen auf die Mutter übergegangen, so kann diese die 
religiöse Erziehung bestimmen. In beiden Fällen bedarf die Anordnung jedoch einer 
Genehmigung des Amtsgerichtes, die nur nach eingeholtem Gutachten des Bürger- 
meisters und des Waisenrates und im letzteren Falle außerdem nur nach Anhörung 
der nächsten beiderseitigen Verwandten ergehen darf. Eine Religionsänderung von 
Waisen, die der gleichen Formalitäten bedarf, soll nur aus besonders erheblichen Grün- 
den gestattet werden 1). Für die Zeit der religiösen Unmündigkeit besteht auch eine 
Verpflichtung zur Teilnahme an dem im Lehrplane der Volks= und Mittelschulen für 
die betreffende Konfession vorgesehenen Religionsunterricht. Vertragsmäßige Ver- 
einbarungen über die religiöse Kindererziehung entbehren der Rechtsgültigkeit. 
Soweit die Freiheit des religiösen Bekenntnisses anerkannt wird, ist es selbstver- 
ständlich, daß dessen Betätigung sich innerhalb der durch die staatlichen Vorschriften 
gezogenen Grenzen zu halten hat. Eine Sonderbestimmung gilt für die Beteuerung 
an Eidesstatt der Mennoniten 2). Ausdrücklich anerkannt als ein Ausfluß der Bekennt- 
nisfreiheit ist das Recht zur Bildung religiöser Vereine. Deren Verfassung und Be- 
kenntnis darf jedoch den Staatsgesetzen und der Sittlichkeit nicht widersprechen 3). 
Der durch die Verf. Urk. garantierte Schutz der Gottesverehrung ist 
nur insofern ein gleicher, als kein Einzelner an seiner Gottesverehrung gehindert, 
oder zur Teilnahme an einer Gottesverehrung anderer Art gezwungen werden darf. 
Auch ist den religiösen Vereinen ausdrücklich die Freiheit der gemeinsamen Gottes- 
verehrung unter dem Schutze des Staates gewährleistet. Das Recht der öffent- 
lichen Gottesverehrung jedoch, zu der allgemein mittels der üblichen Zeichen ein- 
geladen wird, und zu der jedermann der Zutritt freisteht, ist nur der vereinigten 
evangelisch-protestantischen, der römisch-katholischen, der altkatholischen Kirche, der 
israelitischen Glaubensgemeinschaft und den „Anhängern des Leipziger Glaubens- 
bekenntnisses“, d. h. den sogen. Deutschkatholiken zuerkannt,; den drei erstgenannten 
gesetzlich und für den Umfang des ganzen Staatsgebietes, ohne daß es der Einholung 
einer besonderen landesherrlichen Bewilligung bedarf, den letzteren nur für den Be- 
reich ihrer Zulassung #). 
B. Die rechtliche Stellung der römisch-katholischen und 
der vereinigten evangelisch-protestantischen Kirche. 
*138. Allgemeine Grundsätze. 1. Nach geltendem Recht stehen die vereinigte 
evangelisch-protestantische Kirche sowohl wie die römisch-katholische innerhalb des 
Staates. Ihr Verhältnis zum Staate bestimmt sich daher nach den staatlichen Vor- 
1) Auch hier ist als „höhere“ Staatsbehörde das Amtsgericht zuständig. Ldh. V . v. 11. Nov. 
1899 (G.u.VOl. S. 525) F 34. 
2) Ges. v. 5. Juni 1860 (Reg. Bl. S. 215), geändert durch Ges. v. 29. März 1870 (G.u. VO Bl. 
S. 249), Z Pr O. § 484, Str PO. 1# 64. 
3) Auf dem Gebiete des Privatrechtes können solche Vereine jedoch nur dann Rechtsfähigkeit 
erlangen, wenn die Verwaltungsbehörde gegen ihre Eintragung keinen Einspruch erhebt. 861 BGB. 
Durch das RVer.Ges. vom 19. April 1908 werden die landesrechtlichen Vorschriften über kirchliche 
und religiöse Vereine nicht berührt (§ 24 des RG.). 
4) Vgl. Spohn a. a. O. Anmerkungen zu 38 1 und 2 des Ges. und Edikt v. 13. Jan. 1809.
	        
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