§ 138 Die rechtl. Stellung d. röm. kath. u. d. ver. ev. prot. Kirche. Allgemeine Grundsätze. 465
schriften. Dieser Grundsatz ist insbesondere auch bezüglich der römisch-katholischen
Kirche festgehalten worden, wenn auch bei wichtigeren Anordnungen auf staatskirch-
lichem Gebiete in der Regel tatsächlich eine Rücksichtsnahme auf die Universalität
dieser Kirche und auf ihr auswärtiges Oberhaupt Platz zu greifen pflegt. Als inner-
staatliche Einrichtungen sind die beiden Kirchen nicht nur „in ihren bürgerlichen und
staatsbürgerlichen Beziehungen den Gesetzen des Staates unterworfen“, sie können auch
„aus ihrer Verfassung oder ihren Verordnungen“" keine „Befugnisse ableiten, welche
mit der Hoheit des Staates und mit den Staatsgesetzen in Widerspruch stehen 1).“
Die beiden genannten Kirchen gelten jedoch nicht als Privatveranstaltungen,
sondern als „öffentliche Körperschaften 2)). Sie sind für das Gebiet des Staates
bestehende juristische Personen des öffentlichen Rechtes mit der Bestimmung, innerhalb
der Grenzen des Landes sich an der Lösung von Aufgaben zu beteiligen, die der Staat
als öffentliche erklärt. Untereinander stehen beide Kirchen rechtlich vollkommen gleich.
Der Staat garantiert beiden Kirchen ausdrücklich das Recht, ihre Angelegenheiten
frei und selbständig zu ordnen und zu verwalten 3). Er verzichtet darauf, die innere
Tätigkeit der Kirchen nach seinen Wünschen zu lenken, deren Lehre oder Organisation
zu bestimmen. Dessenungeachtet hat er es aber für notwendig erachtet, von den her-
gebrachten staatlichen Befugnissen gegenüber der Kirche noch einige sich ausdrücklich
vorzubehalten, von denen er glaubt, daß er sie zur Wahrung seiner Interessen bedürfe.
2. Die öffentlich-rechtliche Stellung der beiden Kirchen äußert sich zunächst darin,
daß den Organen der Kirchen die Eigenschaft öffentlicher Diener beigemessen wird,
und daß sie dementsprechend besonderen Rechtsvorschriften unterstehen 1). Der Staat
hat sodann einen Teil der Verwaltung des öffentlichen Unterrichtes, deren Führung
er grundsätzlich als sein Recht in Anspruch nimmt, auf die Kirchen übertragen. Er
überläßt denselben nicht nur, — vorbehaltlich der einheitlichen Leitung der betreffenden
Unterrichtsanstalten — die Ueberwachung und Besorgung des gesamten, als obliga-
torischen Gegenstand behandelten Religionsunterrichtes 5), sondern er hat ihnen auch
das Recht eingeräumt, öffentliche Unterrichtsanstalten zur theologisch-praktischen
Vorbildung der Geistlichen und Pensionsanstalten (Konvikte) für diejenigen Kandi-
daten des geistlichen Standes zu errichten, die eine Hochschule oder Gelehrtenschule
besuchen. Auf diese Schulen finden im allgemeinen die für die Korporationsschulen
vorgesehenen Bestimmungen des Elem. Unt. Ges. Anwendung. Ausdrücklich verlangt
ist jedoch, daß die Leiter, Lehrer und Erzieher an diesen Anstalten Deutsche sein müssen ).
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1) 5 13 des Ges.
2) Vgl. Dorner und Seng a. a. O. S. 51 ff. und Stutz in Holtzendorffs Enzyklopädie,
6. Aufl. Bd. II S. 914/915, der mit Recht den vom Gesetze gewählten Ausdruck Körperschaft tadelt,
da die Kirchen, auch die evangelischen, trotz starker Durchsetzung ihrer Organisationen mit körper-
schaftlichen Elementen als „Anstalten“ aufzufassen seien.
3) &7 des KVG., wo im Hinblick auf die vordem geltenden Beschränkungen besonders hervor-
gehoben wird, daß der Verkehr mit den kirchlichen Obern ungehindert ist.
4) Vgl. Gde. O. § 19a (StO. § 19b), § 53, § 86 Ziff. 8, 594: Elem. Unt. Ges. §J 11; E.
zu d. RJGes. § 131; AG. zum BeC#B. Art. 6; RPolWG. 7§ 25. Art. 14 Ziff VII des AusfG. zum
RStr GB (in der Fassung des Ges. v. 5. Juli 1888). Die Verurteilung eines Geistlichen zur
Zuchthausstrafe zieht den dauernden Verlust des Amtseinkommens und dauernde Ausschließung
von der Ausübung kirchlicher Funktionen nach sich. Analoge Vorschriften gelten für den Fall der
Aberkennung der bürgerl. Ehrenrechte; ferner: Verf. Urk. § 35 Abs. 2.
5) §5§ 6, 12 Abs. 1 des K Vers. Ges. F 22 El. Unt. Ges.
6) 8 12 Abs. 2—4 des KVGes. 3F 110 ff. El. Unt. Ges.
Walz, Baden. 30