Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

168 Die innere Verwaltung. Die geistige Verwaltung. 8 138 
  
sophischen Fakultät mit Fleiß gehört habe. Das durch die gewählte Gesetzesfassung 
der Regierung dieser Vorschrift gegenüber eingeräumte Dispensrecht ist jedoch im 
Gesetze selbst wieder insofern beschränkt, als die Erteilung eines Dispenses vom drei- 
jährigen Besuch einer deutschen Universität denen nicht erteilt werden darf, die ihre 
Studien an einer Anstalt gemacht haben, an der Jesuiten oder Mitglieder anderer 
verwandter Orden (RG. vom 4. Juli 1872) eine Lehrtätigkeit ausüben 1). 
Die nähere Bestimmung der Art und Weise, wie diese Vorschrift, die auch auf den 
Kapitularvikar, den Generalvikar, die außerordentlichen Räte und Assessoren des Or- 
dinariats, auf die Vorsteher und Lehrer des Seminars Anwendung findet, im Ein- 
zelnen zu handhaben sei, hat das Gesetz der Verordnung überlassen 2). Durch die V. O. 
wurde dem Ministerium insbesondere auch die Vollmacht erteilt, unter gewissen Vor- 
aussetzungen auswärtigen Geistlichen die öffentliche Ausübung kirchlicher Funktionen 
aushilfsweise und vorübergehend zu gestatten. Seit dem Erlaß des Gesetzes vom 14. 
Juli 1894 3) kann diese Erlaubnis insbesondere auch für die Abhaltung von Missionen 
erteilt werden. 
Endlich gibt das Gesetz der Regierung das Recht, von der Zulassung zu einem 
Kirchenamte alle diejenigen Personen auszuschließen, die ihr in bürgerlicher oder 
politischer Hinsicht als mißfällig erscheinen. Zur Geltendmachung dieses Rechtes, das 
auch in den Fällen der Versetzung auf eine andere Amtsstelle zur Anwendung kommen 
kann, genügt eine bezügliche Erklärung mit Angabe eines Grundes. Ueber die Stich- 
haltigkeit des Grundes entscheidet allein die Regierung. 
Jeder inländische Geistliche hat bei seinem Eintritt in den Kirchendienst des Landes 
vor dem Bezirksamt den Eid auf die Verfassung nebst dem Huldigungseid zu leisten ). 
b) Die Einführung eines religiösen Ordens, ebenso die Errichtung einer einzelnen 
Anstalt eines bereits eingeführten Ordens kann nur mit ausdrücklicher Genehmigung 
der Regierung geschehen. Diese Genehmigung ist kraft Gesetzes widerruflich 5). 
5. Zur wirksamen Geltendmachung der angeführten Vorschriften bestehen eine 
Reihe von besonderen Strafbestimmungen, welche bei wiederholten Verstößen sowie 
in den Fällen, in denen ein kirchlicher Oberer ohne Mitwirkung der Staatsgewalt 
kirchliche Erkenntnisse und Verfügungen gegen den Willen des Betroffenen zum Voll- 
zug bringen will, besonders scharf sind 1), vorbehaltlich der Anwendung der allgemeinen 
Strafgesetze, wenn die Erzwingung der betreffenden Handlung sich als ein durch 
diese Gesetze bestraftes Vergehen oder Verbrechen darstellt ). 
In analoger Weise werden diejenigen Geistlichen mit Strafe bedroht, die kirch- 
  
1) & 9 des Ges. in der durch das Ges. vom 5. März 1880 (G.u. WOl. S. 48) festges. Fassung. 
Letzteres Gesetz hat die mit Ges. vom 27. Febr. 1874 verlangte Prüfung, das sogen. Kulturexa- 
men, wieder beseitigt. 
2) Vergl. Ldh. VO. v. 11. April 1880 (G.u. VOl. S. 117). Zur Dispensation ist das 
Staatmin. zuständig. 
3) Durch dasselbe wurde das s. Zeit (mit Ges. v. 2. April 1872) eingeführte Verbot der Ab- 
haltung von Missionen durch die Mitglieder nicht eingeführter Orden wieder aufgehoben. 
4) VO. v. 5. März 1863 (Zentr. WO#l. Nr. 4). 
5) & 11 des Ges. §+ 116 Abs. 3 El. Unt. Ges. Vergl. RG. vom 4. Juli 1872 betr. d. Orden 
der Ges. Jesu (R.G.Bl. S. 253). Bis jetzt sind nur drei Orden barmherziger Schwestern zu- 
gelassen; Näheres s. bei Ammann a. a. O. S. 212 ff. 
6) § 16a des Ges. bei der zweiten Wiederholung ist anstatt der Geldstrafe Gefängnis vorge- 
sehen von 3 Monaten bis 1 Jahr; bei widerrechtlichem Vollzug einer Verfügung: Geldstrafe von 
300—1500 M. oder Gef. bis zu 6 Monaten.
	        
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