Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

476 Die innere Verwaltung. Die geistige Verwaltung. 8 140 
  
legung gelangt, und gegen den jeder Beteiligte vor der Beschlußfassung Einspruch 
erheben kann. Ueber die Erteilung der Staatsgenehmigung zum Gemeindebeschluß 
entscheidet das Bezirksamt; wenn Einsprachen vorliegen, oder wenn der Bezirks- 
beamte, die Genehmigung auszusprechen, Bedenken trägt, der Bezirksrat. 
Gegen den ablehnenden oder beschränkenden Beschluß des Bezirksrates steht 
den kirchlichen Behörden, gegen die Erteilung der Genehmigung steht der Behörde 
der politischen Gemeinde das Rechtsmittel des Rekurses zu. Die einzelnen Steuer- 
pflichtigen können gegen die erteilte Genehmigung nur insoweit rekurieren, als sie 
behaupten, daß die Bedarfssumme nicht gesetzesgemäß ausgeschlagen worden sei. 
d) Die Erhebung der Steuern 1) erfolgt auf Grund eines von der Bezirks- 
verwaltungsstelle für vollzugsreif erklärten Registers nach Maßgabe der für die Bei- 
treibung der Gemeindeausstände geltenden Vorschriften. Das Gesetz über die Ver- 
jährung der öffentlichen Abgaben findet auch auf die Kirchensteuern Anwendung. 
e) Wie oben erwähnt, ist mit der Einführung der Besteuerung für örtliche kirchliche 
Bedürfnisse das Bauedikt vom 26. April 1808 keineswegs zur Aufhebung gelangt, 
das Gesetz vom 26. Juli 1888 hat indessen die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen 
jenes Ediktes einer teilweisen Umarbeitung unterzogen 2): an die Stelle des zum 
reinen geographischen Begriff gewordenen Kirchspiels ist die Kirchengemeinde ge- 
treten; die Befugnis der Staatsgewalt, über die Notwendigkeit von kirchlichen Bau- 
herstellungen zu entscheiden, ist beibehalten und sogar etwas erweitert worden. Jedoch 
darf der Staat, da auch die für die Besorgung des Bauwesens in jeder Kirche geltenden 
besonderen Bestimmungen aufrecht erhalten wurden, wie dies auch die VO. voimin 
10. Mai 1861 3) aussprach, immer nur auf Aurufen vonseiten der kirchlich 
Beteiligten eingreifen. Weiter ist mit Rücksicht auf die große finanzielle Bedeutung der 
Bauherstellungen verlangt, daß für „jede kirchliche Baulichkeit“ die Zustimmung der 
Kirchengemeinde bezw. ihrer Vertretung einzuholen ist, gleichviel ob die Bauführung 
namens der Kirchengemeinde selbst, oder namens eines kirchlichen Fonds oder namens 
eines privatrechtlich Baupflichtigen geschieht, sofern nicht die Mittel zur Deckung des 
Aufwandes vor Beginn des Baues sichergestellt sind. Diese Beschlußfassung ist in 
besonderer im Gesetze näher bezeichneter Weise vorzubereiten. Für die bauliche Ver- 
waltung von Simultankirchen kann unter den Beteiligten ein Statut vereinbart und 
eine gemeinschaftliche Behörde bestellt werden. 
f) Der nähere Ausbau der Besteuerungsvorschriften ist, soweit nicht von der be- 
treffenden Kirche selbst mit Staatsgenehmigung entsprechende Bestimmungen erlassen 
werden, der Regierungsverordnung oder der Anordnung im Einzelfalle überlassen, 
die jeweils im Einvernehmen mit der für das Land anerkannten obersten Kirchen- 
leitung ergehen sollen. 
Auf diese Art sind insbesondere für die katholische Kirche die Grundsätze für die 
Bestellung der Kirchengemeindevertretung festgelegt, eine Wahlordnung und eine 
Geschäftsordnung für die Gemeinde= und Vertreterversammlungen, sowie für beide 
1) Art. 28 ff. des Ges. 
2) Vergl. Art. 31 ff. des Ges. und die Reg. Begr. zu Art. 30—35 des Entwurfes sowic den 
Komm. Bericht der II. Kr. 
3) Zentr. VOBl. S. 14.
	        
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