488 Die innere Verwaltung. Die geistige Verwaltung. 8 144
Die Bezirksverbände (Synagogenbezirke genannt) werden durch die Bezirks—
synagoge verwaltet, die aus dem Bezirksrabbiner als dem Vorsitzenden und einem
oder mehreren Bezirksältesten besteht. Letztere werden vom Oberrat auf Grund
von Vorschlägen der Synagogenräte ernannt. Der Schwerpunkt der Bezirksverwal-
tung liegt in den Händen der für jeden Bezirk bestehenden, aus dem Bezirksrabbiner,
den Bezirksältesten und den Synagogenratsvorstehern gebildeten Bezirksver-
sammlungt). In derselben führt im Zweifelsfalle der Bezirksrabbiner den
Vorsitz.
Der als höchste Stelle der Gemeinschaftsverwaltung berufene Oberrat der
Israeliten 2) besteht aus einer Reihe von weltlichen und geistlichen Mitgliedern, die
sämtlich auf Vorschlag des Kollegiums vom Großherzog ernannt werden. Den Vorsitz
im Oberrat führt seit dem Jahre 1812 ein Mitglied des Kultusministeriums als landes-
herrlicher Kommissär, der nicht nur die Rechte des Staates zu wahren, sondern auch
den gesamten Geschäftsgang zu leiten hat. Er unterzeichnet alle Ausfertigungen der
vom Oberrat gefaßten Beschlüsse.
Der Oberrat teilt sich zur Erledigung seiner Geschäfte in zwei Konferenzen:
Die Administrativkonferenz und die Religionskonferenz 3); in der letzteren haben die
weltlichen Mitglieder des Oberrates und der landesherrliche Kommissär nur beratende
Stimmen. Der Kommissär kann jedoch in streitigen Fällen die Sache vor die Synode
bringen, die Verhandlungen vertagen oder die Erlassung der Entscheidung suspen-
dieren.
Die Synode besteht aus fünf geistlichen und zwanzig weltlichen Abgeord-
neten, die sämtlich aus Wahlen hervorgehen. Sie tagt alle drei Jahre nach jeweils
erfolgter Neuwahl. Ihre Zuständigkeit erstreckt sich auf das gesamte religiöse Leben
der Gemeinschaft sowie auf die wirtschaftlichen Angelegenheiten. Die Beschlüsse
der Synode bedürfen zur Erlangung der Rechtswirksamkeit der Zustimmung des
Oberrates.
Vor Schluß der einzelnen Tagung wählt die Synode aus ihrer Mitte einen aus
vier Mitgliedern bestehenden Synodalausschuß, der zur Mitwirkung bei
gewissen Entschließungen des Oberrates berufen ist.
Die der örtlichen Seelsorge und der Verwaltung der Religionsangelegenheiten
in den Bezirken als geistliche Beamte bestimmten Rabbiner oder Bezirks-
rabbiner werden von den Synagogenräten, bezw. den Bezirksversammlungen,
vorgeschlagen und, nach Prüfung ihrer Verhältnisse durch den Oberrat, auf dessen
Antrag von dem Kultusministerium ernannt 4). Hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen
Vorbildung bestehen analoge Vorschriften wie für die Geistlichen der anderen Kirchen.
Ihre Rechtsstellung innerhalb der Religionsgemeinschaft ist unter Berücksichtigung
der besonderen Verhältnisse im wesentlichen nach Maßgabe der für die staatlichen
Beamten geltenden Vorschriften geregelt. Zuständig zur dienstpolizeilichen Ent-
1) Vergl. die §& 50—78 der VO. des Ob. R. vom 30. Nov. 1904.
2) Ueber die Organisation und die Tätigkeit des Oberrates gibt Auskunft eine dem VOl.
1894 beigeheftete „Denkschrift". Der Oberrat führt die Bezeichnung: Großherzoglicher
Oberrat usw.
3) Die früher weiter noch bestehende Schulkonferenz ist im Jahre 1862 weggefallen.
4) Vergl. VO. des Ob.R. vom 12. April 1895 (VOBl. Nr. 4).