Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

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15 Die Thronfolge. 43 
  
keit zu verstehen ist, bestimmt sich mangels ausdrücklicher landesrechtlicher Vor- 
schriften nach den in der Zeit des Erlasses des Hausgesetzes geltenden Grund- 
sätzen des deutschen Privatfürstenrechtes 1). 
Darnach sind als ebenbürtig anzusehen die Mitglieder derjenigen Häuser, 
die nach 1815 in Deutschland regiert haben oder heute noch regieren, die 
standesherrlichen Häuser und die außerdeutschen, europäischen, christlichen Häuser, 
welche einen völkerrechtlich anerkannten Staat regieren oder regiert haben. 
5. Männliches Geschlecht, dies gilt auch für den Fall, daß nach Aussterben 
des Mannesstammes die Kognatenerbfolge eintritt. 
6. Der als Thronanwärter Auftretende muß ferner mit dem ersten Groß- 
herzog oder nach Ueberleitung der Erbfolge in die kognatische Linie mit dem 
ersten Großherzoge aus dieser Linie im Mannesstamme verwandt sein. 
Die bloß kognatisch verwandten Familienmitglieder haben, abgesehen von dem 
einen, nach Aussterben des Mannesstammes eintretenden Fall, kein Nach- 
folgerecht. Um dies zu bekräftigen, haben die weiblichen Mitglieder des Hauses 
auch heute noch bei ihrer Verehelichung den früher schon üblichen Verzicht zu 
leisten ). 
7. Der zur Uebernahme Berufene darf nicht durch körperliche oder geistige 
Krankheit an der eigenen Ausübung der Regierung dauernd verhindert 
sein. Eine voraussichtlich bloß vorübergehende Unfähigkeit schließt von der 
Nachfolge ebensowenig aus wie die Minderjährigkeit. In beiden Fällen tritt 
Regentschaft ein. Diese Grundsätze, die gelegentlich der Regierungsübernahme 
des letztverstorbenen Großherzogs praktisch betätigt wurden 3), finden ihre rechtliche 
Begründung vor allem in den Bestimmungen der im Jahre 1803 mit der 
Erhebung des Markgrafen zum Kurfürsten in Baden eingeführten goldenen 
Bulle 7. 
1) Hausges. v. 4. Okt. 1817. Vgl. Rehm a. a. O. S. 115 u. G. Meyer--Anschütz, 
Staatsrecht VI. Aufl. S. 270. Soll ein aus nicht ebenbürtiger Ehe abstammender Verwandter des 
Großh. Hauses als sukzessionsberechtigt angesehen werden, so bedarf es, da hier die Abänderung 
eines in die Verfassung aufgenommenen Grundsatzes in Frage kommt, einer besonderen verfassungs- 
gesetzmäßigen Regelung. Eine bloß hausgesetzliche Regelung wäre ebenso wie eine etwaige Ver- 
einbarung der Agnaten für die Thronfolge ohne jede rechtliche Bedeutung. 
2) Der Verzicht ist Feute eine reine Formalität, die an dem Rechtszustande der Töchter nichts 
ändert. Vgl. auch Apanage Ges. F 19. 
3) Als Großherzog Leopold am 24. April 1852 verschieden, und der älteste Sohn desselben 
in folge körperlicher und geistiger Erkrankung außerstande war, die Regierung zu führen, ging, nach- 
dem dieser Zustand festgestellt, aber eine Besserung nicht ausgeschlossen zu sein schien, die Würde 
des Großherzogs zwar auf den älteren Sohn, den Erbgroßherzog Ludwig, über, während der 
jüngere Bruder, der nachmalige Großh. Friedrich I. als Stellvertreter des Großherzogs, bis dieser 
wieder von seinem Leiden befreit sein würde, die Führung der Regentschaft übernahm (Patent v. 
24. April 1852, Reg. Bl. S. 147). Nachdem sich jedoch während der vier nächsten Jahre heraus- 
gestellt hatte, daß die Regierungsunfähigkeit des älteren Bruders eine dauernde war, übernahm 
der Regent durch Erklärung vom 5. Septemb. 1856, „im Interesse des Landes unter Hintansetzung 
seiner brüderlichen Gefühle“ die ihm „mitdem Thronanfalleüberkommene Groß- 
herrogliche Würde nebst allen ihren Rechten und Vorzügen“. Durch eine unterm gleichen Tage 
erlassene Erklärung wurde bestimmt, daß an dem Titel des älteren Bruders nichts geändert werden 
sollte (Reg. Bl. S. 321 u. 322). 
4) Vgl. GB. v. 1356 c. XXV FF 3 u. 4. Eine Aufhebung dieser Vorschriften ist bis jetzt nicht 
erfolgt, insbes. ist dies auch nicht durch die Rh BAkte geschehen, deren & 2 sich nur auf diejenigen Ge- 
setze des alten Reiches bezog, die eine reichsrechtliche Beschränkung der Landeshoheit enthielten. 
VBgl. Pfistera. a. O. S. 506, ferner G. Meyer-Anschütz a. a. O. S. 573.
	        
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