16 Die Stellvertretung des Großherzogs. 47
II. Regentschaft. Ebensowenig wie die eigentliche Stellvertretung hat in
Baden das Institut der Regentschaft eine gesetzliche Regelung erfahren. Die Verf.-Urk.
gedenkt derselben überhaupt nicht, wohl aber spricht das Apanagengesetz vom 21. Juli
1839 von ihr, indem es in &7 als eine Last der Zivilliste auch die Kosten der Hof-
haltung und der Repräsentation des Regenten bezw. der Regentschaft erwähnt,
die von der Ziovilliste zu bestreiten sind, solange der Großherzog minderzjährig
ist. Ferner überweist das Organ. Ed. vom 26. November 1809 Lit. E in Ziff. 38
adie entscheidenden Maßregeln in Großherzoglichen Familienvormundschaften der
Minister-Konferenz (dem heutigen Staatsministerium) in Fällen der Abwesenheit,
Krankheit oder Minderjährigkeit des Regenten, soweit die Minister-Konferenz von
ihm selbst oder durch Staats- oder Hausgesetze dazu ermächtigt ist".
Im markgräflichen Hause, das zwischen Regentschaft und Vormundschaft keinen
Unterschied machte, bestimmte sich die Person desjenigen, der an Stelle des
verhinderten Landesherrn die Regierung auszuüben hatte, zunächst nach der
letztwilligen Anordnung des Regierungsvorgängers; subsidiär trat der nächste
Agnat ein. Die für das Kurfürstentum zur Anwendung kommende Gold. Bulle
berief allein den letzteren. Dem Administrator stand in der markgräflichen Zeit
immer ein vormundschaftliches Geheimratskollegium zur Seite 1).
Beim Ableben des Großherzogs Leopold am 24. April 1852 entschied ein
Familienrat, bestehend aus der Mutter des Nachfolgers und den Agnaten, über
die Notwendigkeit einer Regentschaft 2).
Dem Landtage 1861/63 lag der Entwurf eines Regentschaftsgesetzes vor, der
aber nicht über die Beratung in der ersten Kammer hinauskam 3).
Trotz des Scheiterns dieses gesetzgeberischen Versuches ist heute doch davon
auszugehen, daß das badische Recht die Regentschaft als ein besonderes neben
der privatrechtlichen Vormundschaft bestehendes öffentlich-rechtliches Institut an-
erkennt, zu deren Ausübung deshalb auch nicht ohne weiteres der zivilrecht-
liche Vormund berufen ist ).
Die für den Ausbau dieses Instituts fehlenden Einzelvorschriften lassen sich
nur aus den Grundsätzen ableiten, die für die Regentschaft innerhalb der
deutschen Staaten allgemeine Anerkennung gefunden haben, und deshalb auch
im Staate Baden als Norm angesehen werden können.
Als Gründe für den Eintritt einer Regentschaft anerkennt das badische
Recht:
1. Die Minderjährigkeit des zur Regierung berufenen Großherzoges.
Ueber die Dauer der Minderjährigkeit des Monarchen fehlt es an einer ausdrück-
lichen Bestimmung. Nachdem in früherer Zeit eine schwankende besonders auch
durch das Eingreifen des Kaisers beeinflußte Praxis geherrscht, wurde im Jahre
1803 mit der Einführung der Goldenen Bulle der Eintritt der Volljährigkeit auf
vu Bgl. Mosera. a. O. S. 43ff. Pfister a. a. O. Bd. J. SIIOf. GB. v. 1356 cap.
4.
2) Vgl. Patent v. 24. April 1852 Reg. Bl. S. 147.
3) Ldtg. 1861/63 I. K. 1. Beil.heft S. 198, 272. Die damals gefaßten Kommissionebeschlüsse
sind abgedruckt bei Wielandt a. a. O. S. 31 Anm. 3.
4) A. A. Rehm a. a. O. S. 436 Ziff. 3.