817 Die rechtl. Stellung der Mitglieder der Familie des Großherzogs. 53
allgemeinen bürgerlichen Recht. Für Rechtsstreitigkeiten anderer Art und für
Strafsachen gelten die hausgesetzlichen Normen, die zwar nicht schriftlich nieder-
gelegt sind, aber mit den allgemeinen Grundsätzen des deutschen Fürstenrechtes
übereinstimmen 1).
7. Die Mitglieder des Großherzoglichen Hauses genießen gewisse Begünsti-
gungen auf dem Gebiete der Besteuerung und des Beizuges zu den
öffentlichen Lasten:
a) vollständig frei von jedwedem Beizug zur Steuer sind die (unten zu
besprechenden) Apanagen.
b) Nur der Gemeindebesteuerung entzogen sind die Steueranschläge ihres
Kapitalsvermögens, ihre Steueranschläge aus dem Einkommen sowie die Steuer-
werte ihrer Schlösser und Gärten.
c) Von der Quatierpflicht befreit sind die in ihrem Besitze befindlichen Ge-
bäude, sofern sie für immer oder zeitweise zum Wohnsitze ihres Eigentümers
bestimmt sind 2).
d) Ebenso genießen sie bezüglich der zu ihrem Hofhalte bestimmten Pferde
Befreiung von der Vorspannleistung und eine entsprechende Befreiung von
der Verpflichtung zur Verabfolgung der Fourage 3).
8. Den Mitgliedern des Großherzoglichen Hauses sind dem Staate gegen-
über gewisse Ansprüche auf vermögensrechtliche Leistungen eingeräumt, die durch
das Apanagegesetz vom 21. Juli 1839 ) näher bestimmt und geregelt werden.
Die standesgemäße Versorgung der nachgeborenen Mitglieder galt nach dem
im Hause der Zähringer Fürsten bestehenden Herkommen jederzeit als eine
Last des fürstlichen Patrimonialvermögens. Im einzelnen erfolgte die Ausstat-
tung durch die Einweisung in den Genuß von Liegenschaften, durch die Aus-
folgung von Naturalien oder durch Entrichtung von baren Geldsummen.
Jenem Herkommen gemäß hat der & 59 der Verfassungsurkunde ausdrücklich
anerkannt, daß die dem Staate zur Verwaltung und Nutznießung überlassenen
Domänen mit ihrem Ertrage auch für diese Versorgungslasten aufzukommen
haben 5). Da die Bedürfnisse der Mitglieder der Großherzoglichen Familie
sich seit der Begründung des Großherzogtums wesentlich gesteigert hatten,
und da im Hinblick auf die dem Domänenertrag zugunsten des Staates ge-
gebene Zweckbestimmung von den Landständen ein Mitwirkungsrecht bei der
1) Darnach ist in den übrigen Zivilsachen das Oberlandesgericht, in Strafsachen ein Austrägal-
gericht zuständig.
Analoge Bestimmungen waren s. Zeit für die Standesherren getroffen worden. Es steht außer
Zweifel, daß man damals die gleiche Privilegierung hins. der Mitglieder des Großh. Hauses als
selbstverständlich voraussetzte. Die Anschauung, daß für die letzteren eine hausrechtliche Sondervor-
schrift gelte, ist auch in dem Gesetz vom 15. Febr. 1851 mit den Worten anerkannt: „es bleibt bei
den bisherigen Rechten". Uebereinstimmend Pfister a. a. O. Bd. 1 S. 113, ferner Bornhak
S. 38, u. für die Strafsachen Wielandta. a. O. S. 42. Dagegen Binding S. 68 mit der Be-
hauptung, daß ein Gewohnheitsrecht nicht nachweisbar, der Vorbehalt des Ges. v. 15. Febr. 1851
mangels geschriebener Normen also nur für zukünftig zu erlassende Vorschriften gelte.
2) R. v. 25. Juni 1868 F 4 Abs. 2 Ziff. 1.
3) RG. über d. Nat.-Leistungen für die bew. Macht i. Frieden v. 24. Mai 1898 895 3 u. 5.
4) Reg. Bl. 1839 S. 197.
5) Bgl. hierzu sowie zum folgenden den Vortrag zum Entw. des Apan.-Ges. Ldtg. 1839 I Beil.
H. zu d. Prot. der I. K. S. 70 f.