Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

60 Die Organisation. Die Landstände. 8 18 
  
weisung. Dazu kommen als außerordentliche Aeußerungsmittel die Beschwerde, 
die Anklageerhebung und der Antrag auf Disziplinaruntersuchung. 
Die Mitwirkung greift überall da Platz, wo für eine staatliche Hand- 
lung der Weg der Gesetzgebung vorgeschrieben ist. Hier muß die Tätigkeit der 
Stände derjenigen des Monarchen vorausgehen und in zustimmendem Sinne er- 
folgt sein, wenn eine gültige Willensäußerung des Staates zustande kommen soll. 
Die Genehmigung dagegen kann den ihrer bedürftigen Regierungs- 
handlungen sowohl vorausgehen wie nachfolgen. Sie bildet eine selbständige 
Willenserklärung für sich. Ihr Ausbleiben macht die betreffende Handlung der 
Regierungsorgane nicht ohne weiteres zu einer unwirksamen, begründet aber auf 
alle Fälle eine besondere Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber den 
Ständen:). 
Der Sprachgebrauch der Verfassungsurkunde und der sie ergänzenden Ge- 
setze hält die beiden angeführten Arten von ständischen Handlungen nicht strenge 
auseinander. Gewöhnlich wird zur unterschiedslosen Bezeichnung beider Fälle der 
Ausdruck Zustimmungg gebraucht; daneben wird aber in einzelnen Fällen 
auch von einer Mitwirkung oder Genehmigung der Stände gesprochen 2). 
Die Form der Kenntnisnahmewird gebraucht, wenn den Ständen die Be- 
fugnis eingeräumt ist, von der Regierung über einzelne Handlungen derselben 
Auskunft zu verlangen. Sie kann dazu führen, daß auf Grund der gewonnenen 
Kenntnis die Stände zu den betreffenden Regierungshandlungen die Genehmi- 
gung erteilen oder dieselben zum Gegenstand einer Beschwerde oder Anklage machen. 
Die Form der Ueberweisung gelangt in all den Fällen zur Anwen- 
dung, wo die Stände befugt sind, an sie gerichtete, von außen herkommende, 
Anregungen an die Regierung weiterzugeben. 
Zur Ermöglichung einer wirksamen Durchführung ihrer politischen Kompe- 
tenzen ist den Ständen noch eine Reihe von kollegialen Be fugnissen 
eingeräumt: 
das Recht der Prüfung der Legitimation ihrer Mitglieder, das Recht, die 
nähere Ausgestaltung ihrer inneren Verfassung sowie das bei ihren Verhand- 
lungen einzuhaltende Verfahren zu bestimmen und das Recht, der Verhaftung 
ihrer Mitglieder unter gewissen Voraussetzungen entgegentreten zu können. 
Welcher Art auch die Zuständigkeit der Landstände im einzelnen sein mag, 
ihre Tätigkeit erstreckt sich immer nur auf die Fassung von Beschlüssen, 
welche die beiden Abteilungen der Stände sich untereinander oder dem Staats- 
ministerium mitteilen können. An der Betätigung der Herrschermacht des Staates 
haben sie grundsätzlich keinen Anteil. Diese Aufgabe obliegt, soweit nicht die zu- 
gunsten der Gerichte gemachte Ausnahme eingreift, allein dem Monarchen. Er 
erläßt die Gesetze, und sofern es sich darum handelt, an einen einzelnen Be- 
schluß der Stände gewisse Verwaltungsmaßregeln anzuknüpfen, sind es seine Be- 
amten, welche dieselben zu vollziehen haben, nach ihrer pflichtgemäßen Ent- 
  
1) Näheres unten bei der Darstellung des Budgetrechtes der Stände und der Behandlung der 
Staatsverträge. « 
2)Z.B.Verf.Urk.§63;Etat-Gcs.Art.12;soauchineinzelnenStaatsverträgen.
	        
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