8 21 Die Zusammensetzg. der erst. Kammer. Die Zusammensetzg. der zweit. Kammer. 69
gliedschaft besitzen 1), können eine Wahl in die zweite Kammer nicht ohne weiteres
annehmen. Ein Eintritt derselben in die zweite Kammer wäre nur dadurch zu
ermöglichen, daß der Gewählte die Stellung, kraft deren er der ersten Kammer als
gesetzliches Mitglied angehört, gleichzeitig aufgibt.
Die durch die Wahl ernannten Mitglieder verlieren endlich ihre Mitglied-
schaft durch die Annahme eines besoldeten Staatsamtes oder durch den Eintritt
in ein Staatsamt, mit dem ein höherer Rang oder ein höherer Gehalt verbun-
den ist 2).
Ist vor Ablauf der Landtagsperiode ein durch fremde Willensentschließung
berufenes Mitglied durch den Tod oder aus einem der oben angeführten Verlust-
gründe ausgeschieden, so reicht das Mandat des Ersatzmannes (also auch das nach
§ 28 Abs. 4 Verf. Urk. als Nachfolger eines Stellvertreters berufenen) nur bis
zu dem Zeitpunkte, in welchem ohne den Eintritt jener besonderen Tatsachen
die Berufung des Ausgeschiedenen ihr Ende gefunden hätte 5).
s 21. Die Zusammensetzung der zweiten Kammer. I. Im Gegensatz
zu der nach den mannigfachsten Gesichtspunkten zusammengesetzten und
in ihrem Personenbestande schwankenden ersten Kammer zeigt die zweite
Kammer der Ständeversammlung eine durchaus einheitliche Struktur mit
einer fest bestimmten Zahl von Mitgliedern, die alle durch ein einheitlich ge-
staltetes Verfahren berufen werden. Zur Zeit besteht die zweite Kammer aus
73 Abgeordneten, von denen jeder in einem besonderen Wahlkreise, in allge-
meiner, unmittelbarer und geheimer Abstimmung gewählt wird #).
Bei der Einführung der Verfassung ging man seiner Zeit von dem Ge-
danken aus, mit der zweiten Kammer eine allgemeine Repräsentation der Staats-
bürger als solcher zu schaffen, bei deren Bildung alle als Wähler anerkannten
Personen auch in gleichem Maße berechtigt sein sollten 5).
Diese Gleichstellung der Wähler hinsichtlich der Bedeutung ihres Votums
wurde jedoch zugunsten der städtischen Bevölkerung nicht strenge festgehalten,
indem die im Vollzuge der Verfassung ergehende Wahlordnung den größeren
Städten mit Rücksicht auf ihre Geschichte und ihre besondere Bedeutung für
den Staat eine stärkere Zahl von Mandaten zuwies, als sie nach ihrer Be-
1) Der Ausschluß des Verzichtrechtes für diese Mitgliederkategorien ergibt sich bei der Fassung
des § 39 Abs. 1 Verf. Urk. schon nach dem argum. e contrario. Diese Personen können sich zwar
ohne besondere Entschuldigung der Ausübung ihrer Mitgliedschaft enthalten, indem sie erklären, an
der betreff. Sitzungsperiode nicht teilnehmen zu wollen; der Bestand ihrer Mitgliedschaft (vgl. § 27
Ziff. 1—3 Verf. Urk.) wird dadurch aber nicht berührt. Letzteres gilt insbes. auch für die Standes-
herren, die einen Stellvertreter ernannt haben. Der § 73 Abs. 2 Verf. Urk. erkennt die Fortdauer der
Mitgliedschaft für den Fall der Abstimmung denn auch ausdrücklich an. Ueber die Frage des Ver-
zichtrechtes der Mitglieder der I. Kammer überhaupt, vgl. G. Meyer Anschütz) DSt . S. 309.
2) Verf. Urk. § 40 a. In Betracht kommen nur badische Staatsämter, nicht Reichs-, Gemeinde-
oder Kirchenämter, selbstverstl. auch nicht Hofämter, ebensowenig ein von einem anderen Bundes-
staat verliehenes Amt. Auch die Wiederanstellung eines im Ruhestand befindlichen Beumten fällt
unter die Vorschrift, wenn auch der Beamte zur Uebernahme eines Amtes gesetzlich verpflichtet ist
(Beamt. Ges. F49). Uebereinst. II. K. 1882 Pr. H. S. 81 a. A. Glocknera. a. O., obwohl das
Gesetz nicht unterscheidet, und obwohl der in den aktiven Dienst wiedereintretende Beamte während
des Ruhestandes ein Staatsamt nicht innehatte.
3) Verf. Urk. § 39 Abs. 2.
4) Verf. Urk. § 33.
5) Vgl. zum folgenden die Darstellung im Jahrb. des öff. R. Bd. 1 S. 317 ff.