72 Die Organisation. Die Landstände. 8 21
Amtsgerichte und Notariate, sowie der Bezirksbehörden der staatlichen Hochbau-,
Wasserbau-, Straßenbau= und Eisenbahnverwaltung, die Bezirksärzte, die Bezirks-
tierärzte und die Ortsgeistlichen in demjenigen Wahlkreise nicht wählbar, welchem
ihr Dienstbezirk ganz oder teilweise angehört 1). Die Mitgliedschaft in der ersten
Kammer schließt die Wählbarkeit zum Abgeordneten zur zweiten Kammer grund-
sätzlich nicht aus 2).
Die Verf. Urk. hatte seinerzeit die Wählbarkeit nur solchen Personen zuer-
kannt, die einer der christlichen Konfessionen angehörten und ein bestimmtes
Vermögen oder Einkommen besaßen (§5 37 Ziff. 1 und 3). Durch das Gesetz
vom 19. Februar 1849 wurde die erstere und durch das Gesetz vom 21. Okto-
ber 1867 die zweite Beschränkung gestrichen.
VI. Das für die Wahlen vorgeschriebene Verfahren beruht auf dem
Grundsatze der geheimen und direkten Stimmabgabe :). Dasselbe ist in
dem früher bereits erwähnten Landtagswahlgesetze im einzelnen geregelt ).
Die geheime Wahl gelangte in Baden erst mit dem Gesetz vom 16. April
1870 zur Einführung. Vordem wurde offen (zu Protokoll oder mündlich) ab-
gestimmt. Das Gesetz vom 16. April 1896 hat überdies den Isolierraum zur
Anwendung gebracht.
Die direkte Wahl ist das Ergebnis der nach jahrelangen Verhandlungen
zustande gekommenen Verfassungsrevision des Jahres 1904 5). Bei der Aus-
bildung der einzelnen Vorschriften des neu eingeführten Verfahrens hat man
sich tunlichst an die für das Reichstagswahlrecht geltenden Bestimmungen an-
geschlossen.
Die einzelnen Stadien des Wahlverfahrens sind folgende:
1. Vorbereitung: Bildung von Wahlbezirken innerhalb der Wahlkreise.
Die Bezirke fallen mit dem Umfang der Gemeinden zusammen, größere Ge-
meinden werden durch den Bezirksrat in mehrere Bezirke zerlegt; kleinere Ge-
meinden unter 200 Seelen werden zusammengefaßt.
Für jede (auch kleinere) Gemeinde wird eine Wählerliste aufgestellt. In
den Gemeinden, die in mehrere Wahlbezirke zerfallen, erfolgt die Aufstellung
bezirksweise.
Die Behandlung der Wählerliste ist die gleiche wie im Reichstagswahlver-
fahren 6). Ueber etwaige Einwendungen, deren Berechtigung der Gemeinde (Stadt-)=
Rat nicht anerkennt, entscheidet der Bezirksrat als Beschlußbehörde. Gegen
dessen Entscheidung steht indessen dem in seinem Wahlrecht Verletzten die Klage
an den Verwaltungsgerichtshof offen 7). Der Gemeindevorstand kann übrigens wäh-
1) Verf. Urk. § 36 Abs. 2. Die hier gegebene Aufzählung ist erschöpfend; eine analoge Anwen-
dung auf andere Arten von Staatsbeamten oder auf Gemeindebeamte ist unzulässig.
2) Verf. Urk. J 32D Abs. 2. Vgl. die bezügl. Ausführungen oben § 20.
3) Verf. Urk. 7 33.
4) Ldt. WG. §§ 30—72.
5) Vgl. über die Geschichte der Einführung des direkten Wahlverfahrens die zusammenfassende
Darstellung bei Glocknera. a. O. 12 ff. und im Jahrb. des öff. R. Bd. 1 S. 317 ff.
6) §§ 31—38 des Ges. Der Eintrag in die Liste ist die notwendige Voraussetzung für die Aus-
übung des Wahlrechts. § 44 Abs. 2 des Ges.
7) VRPfl. Ges. § 3 Ziff. 18.