Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

23 Die Zuständigkeit der Landstände. 79 
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biete der Gesetzgebung handelt, wenn die Regierung „Verordnungen“ 1) erlassen, 
die „das Zustimmungsrecht“ der Kammer „kränken“; es besteht aber kein Zweifel 
darüber, daß die Prüfungspflicht der Regierung auch gegenüber Beschwerden 
anderer Art Platz greift 2). Besteht der Gegenstand der Beschwerde in einer 
Verletzung der Verfassung oder verfassungsmäßiger Rechte, so ist zur Beschwerde- 
führung allein die zweite Kammer befugt. Nur soweit es sich um Verletzung 
ihrer eigenen verfassungsmäßigen Kompetenzen handelt, kann auch die erste 
Kammer beschwerdeführend auftreten. In beiden Fällen bedarf der Kammer- 
beschluß der für die Erhebung einer Ministeranklage erforderlichen Majorität 8). 
Für die Geltendmachung des Petitions= und Beschwerderechtes der Kammern 
ist es gleichgültig, von wem aus die Veranlassung zu der Vorstellung oder 
Beschwerde gegeben worden. Die Kammern haben vor allem auch die Befug- 
nis, die von dritter Seite an sie gelangenden Petitionen an die Regierung weiter 
zu befördern 4). Besondere Grundsätze gelten für den Fall, daß die den Ständen 
vorgetragenen Beschwerden sich auf die Kränkung verfassungsmäßiger Gerecht- 
same beziehen. Hier ist die allein zuständige zweite Kammer nicht nur zur 
Prüfung berechtigt, sondern auch zu deren Vornahme verpflichtet. Allerdings 
greist diese Verpflichtung nur dann Platz, wenn die Beschwerde in schriftlicher 
Form vorgetragen wird, und wenn „der Beschwerdeführer nachweist, daß er sich 
vergebens an die geeigneten Landesstellen und zuletzt an das Staatsministerium 
um Abhilfe gewandt hat“ 5). 
Was unter „verfassungsmäßigen Gerechtsamen“ zu verstehen, ist nirgends 
ausdrücklich gesagt. Selbstverständlich sind damit nicht etwa alle diejenigen Rechts- 
verhältnisse gemeint, welche sich auf den verschiedenen Gebieten ergeben können, 
die zum Gegenstand der programmatischen Satzungen des Abschnittes II der 
Verf.-Urkunde geworden sind, sondern nur solche Befugnisse, die in der Ver- 
sfassung selber unmittelbar ihre Begründung finden. Auzgeschlossen ist die Ver- 
fassungsbeschwerde des § 67 Abs. 2 auch dann, wenn der ihr zu Grunde lie- 
gende Tatbestand durch das Gesetz der Kognition der Gerichte (einschließlich der 
Verwaltungsgerichte) überwiesen ist. 
Als berechtigt zur Beschwerde bezeichnet die Verf.-Urkunde nur die Staats- 
angehörigen. Es besteht jedoch kein Zweifel, daß damit nicht nur die physischen 
sondern auch die juristischen Personen gemeint sind, und daß das Beschwerde- 
kecht, da es sich hier um die Gewährung des staatlichen Rechtsschutzes handelt, 
auch von Nichtbadenern geltend gemacht werden kann, soweit „Gerechtsame“ der 
bezeichneten Art in Frage kommen #. 
1) Derartige Verordnungen sollen „auf die erhobene gegründete Beschwerde hin sofort außer 
Kraft gesetzt werden“. 
2) Dies folgt schon aus dem Wesen der Beschwerde, wurde auch in der Praxis stets anerkannt. 
Vgl. Wielandt a. a. O. S. 66. 
3) Verf. Urk. § 67 Abs. 3. 
4) Uebereinstimmend Wielan dt a. a. O. S. 66 und Glockner a. a. O. S. 155. Vgl. 
auch die Gesch. Ordgen. (I. K. § 56, II. K. § 60), nach welchen die für die Petitionen ernannten 
besonderen Kommissionen alle Gesuche zur Prüfung erhalten. 
5) Verf. Urk. § 67 Abs. 2, wenn er „enthört“ ist. 
6) Die herrschende Meinung sieht in der Bestimmung des § 67 Abs. 2 Verf. Urk. gestützt auf den 
Wortlaut des Gesetzes nur eine nochmalige Anerkennung des Beschwerderechtes der Kammern
	        
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