Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

8 25 Die formellen Voraussetzungen der Tätigkeit der Landstände. 85 
  
des Archivariates zugewiesen sind 1). In der ersten Kammer erfolgt die Bildung 
dieser, sowie der sonstigen, nur vorübergehend tätigen, Kommissionen unmittelbar 
durch die Kammer selber 2), für die zweite Kammer soll sie durch die Vermittelung der 
Abteilungen geschehen. Die Abteilungen werden in der zweiten Kammer sofort nach 
Eröffnung der Sitzungen und zwar in der Weise eingerichtet, daß die einzelnen Abge- 
ordneten nach einer Bestimmung durch das Los auf die einzelnen Abteilungen in 
gleicher Weise verteilt werden. Jede Abteilung organisiert sich selbständig durch Wahl 
ihres Vorstandes und ihres Sekretärs. Ihre Aufgabe besteht in erster Linie in der 
Beratung der ihnen zugewiesenen Gegenstände; sodann haben dieselben bei der 
Bildung der Kommissionen durch absolute Stimmenmehrheit je ein Mitglied zu 
ernennen, vorbehaltlich des Rechtes der Kammer zur direkten Bezeichnung weiterer 
Mitglieder 3). Zu einem Zusammentritt mit der Regierung sind die Abteilungen 
nicht befugt: bei einem solchen beteiligen sich nur die Kommissionen. Andererseits 
entbehren die Kommissionen den Abteilungen gegenüber der diesen gewährten 
Selbständigkeit, da der Präsident der Kammer das Recht hat, an allen Kommissions- 
sitzungen als Vorsitzender teilzunehmen ). 
Die Uebermittelung der Kommissionsbeschlüsse an die Kammer erfolgt durch 
Vortrag eines oder mehrerer Berichterstatter 5). 
§ 25. Die formellen Boraussetzungen der Tätigkeit der Landstände. 1. Wenn 
die Stände auch dem Großherzoge gegenüber als zweites unmittelbares Staatsorgan 
in der Ausübung ihrer Tätigkeit völlig unabhängig sind, so können sie doch ihre Arbeit 
nicht beginnen und nicht fortsetzen ohne dessen Zustimmung: „Der Großherzog ruft 
die Stände zusammen, vertagt sie und kann sie auflösen.“ „Die Kammern können sich 
weder eigenmächtig versammeln, noch nach erfolgter Auflösung oder Vertagung bei- 
sammmen bleiben und beratschlagen“ ). 
Allerdings steht die Einberufung der Stände nicht ganz im freien Ermessen des 
Großherzoges. Nach ausdrücklicher Vorschrift der Verfassung muß alle zwei Jahre, 
d. h. in jeder der beiden Hälften der Landtagsperiode, also in jeder „Sitzungsperiode“, 
zur Feststellung des Finanzgesetzes eine Versammlung der Landstände stattfinden?). 
Es ist dem Großherzoge jedoch nicht benommen, die Stände auch zu einer anderen 
Zeit innerhalb dieser zwei Jahre zu einer außerordentlichen Tagung zusammen zu 
berufen 8). Besondere Vorschriften, welche den Großherzog beim Eintritt gewisser 
Ereignisse (wie z. B. bei einem Regierungswechsel oder bei Eintritt einer Regentschaft) 
1) Gesch. O. I. K. § 60; II. K. § 73. 
2) Gesch. O. I. K. 61. 
3) Gesch. O. II. K. §§ 64—68, 72. Tatsächlich hat sich das Verhältnis seit einer Reihe von 
Jahren derart gestaltet, daß die Bezeichnung der Kommissionsmitglieder allein durch die im Land- 
tage vertretenen politischen Parteien erfolgt. Die Bedeutung der „Abteilungen“ besteht eigentlich 
nur noch darin, daß ihre Vorstände die Kommission für die Prüfung der nachträglich vorgenomme- 
nen Wahlen bilden. GO. II. K. § 9 a. 
4) Verf. Urk. & 76 Abs. 2, Gesch. O. I. K. § 63; II. K. J 70. 
5) Gesch. O. I. K. § 62; II. K. § 71. 
6) Verf. Urk. 33 42, 52. 
7) Verf. Urk. & 46, § 54, §+ 79 Abs. 1. 
8) Die s. Zeit im Jahre 1838 seitens der Gr. Regierung aufgestellte Behauptung, daß die 
Kompetenz eines solchen außerordentlichen Landtages nur auf den Gegenstand beschränkt sei, der 
zu seiner Einberufung Veranlassung gegeben, ist wie von Wielandt a. a. O. S. 57 und von 
Glockner a. a. O. S. 116 mit Recht hervorgehoben, unzutreffend.
	        
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