86 Die Organisation. Die Landstände. 8 25
zur Einberufung der Landstände verpflichteten, bestehen nicht.
In all den Fällen, wo es sich nicht um die Wiederaufnahme der Tätigkeit einer
bloß vertagten Ständeversammlung, sondern um die Einberufung eines neuen Land-
tages handelt, hat der Beginn der ständischen Arbeit zur weiteren formellen Voraus-
setzung die vor den vereinigten Kammern vom Großherzog in Person oder durch
einen „von Ihm ernannten Kommissär“ erklärte feierliche Eröffnung des Landtages,
sowie die Ablegung des früher erwähnten Eides seitens der neu eingetretenen Mit-
glieder 1).
2. Der Befehl des Großherzoges an die Stände zum Auseinandergehen, der
immer nur an die Gesamtheit der Stände, also nur an beide Kammern zugleich er-
gehen darf: kann dreifacher Art sein:
a) Er kann die bloße Vertagung der Kammern aussprechen. Die Kammern
sind dann verpflichtet, ihre Verhandlungen und Kommissionsarbeiten auszusetzen mit
der Wirkung, daß nach Ablauf der Vertagungsfrist die Arbeiten wieder in dem Stadium
aufzunehmen und fortzuführen sind, in welchem sie sich beim Beginn der Unterbre-
chung befanden. Die Kammern selber haben kein Vertagungsrecht: sie können jedoch
tatsächlich eine Unterbrechung ihrer Tätigkeit bewirken, indem sie mit Rücksicht auf
den Geschäftsstand, besonders um Zeit zur besseren Vorbereitung ihrer Arbeiten
zu gewinnen, den Termin ihrer Verhandlungen im einzelnen hinaussetzen (sogen.
Präsidialvertagung).
Die Vertagung durch den Großherzog kann auf eine bestimmte Zeit oder ohne
eine solche Terminsfestsetzung erfolgen. Im letzteren Falle bedarf es dann natürlich
einer neuen Einberufung 2). Geht die Vertagung über das Ende des zweiten Jahres
nach der Bildung des Landtages hinaus, also über den Zeitraum der im § 69 Verf.-Urk.
so bezeichneten Sitzungsperiode, so erhält sie die rechtliche Bedeutung eines Landtags-
schlusses. Weitere Beschränkungen des Vertagungsrechtes des Monarchen bestehen,
sofern nicht die oben erwähnten Vorschriften über die Feststellung des Finanz-
gesetzes in Betracht kommen, in Baden nicht.
Während der Dauer der Vertagung hat nicht nur die Arbeit des Plenums der
Kammern, sondern auch diejenige der Abteilungen und Kommissionen zu ruhen 3).
2. Er kann die Ständeversammlung schließen, d. h. er kann erklären, daß
er die Tätigkeit der Landstände als beendigt ansehe. Eine Schließung, welche wie die
Eröffnung eines Landtages immer nur durch den Großherzog versönlich ode durch
einen von ihm ernannten besonderen Kommissär in den vereinigten Kammern ge-
schehen kann, setzt nicht nur die Stände außer Tätigkeit, sondern vernichtet auch alle
von denselben bisher begonnenen aber noch nicht zu Ende geführten Arbeiten. Eine
1) Als neu eintretend gelten alle diejenigen Mitglieder, die auf Grund eines neuen Mandates
erscheinen, ohne Rücksicht darauf, ob sie dem vorhergehenden Landtage angehört haben oder nicht.
Es genügt natürlich, wenn der Eid von so viel Personen geleistet ist, daß die zur Beschlußfähigkeit
erforderliche Zahl beeidigter Mitglieder vorhanden ist.
2) Vgl. St A. 1827 S. 165, 175. St A. 1898 S. 243, S. 401.
3) Arg. § 52 Verf. Urk. Die Kommissionen usw. dürfen während der Aussetzung der Landtags-
tätigkeit auch nicht etwa von der Regierung zur alleinigen Arbeit einberufen werden, denn eine jede
Einberufung der Stände kann sich ebenso wie die Vertagung immer nur auf die ganze Ständever-
sammlung erstrecken. Außerhalb der Ständeversammlung einberufen entbehren die Kommissionen
ihrer rechtlichen Grundlage. Ueber die trotzdem von der Regierung versuchte Einberufung einzelner
Kommissionen vgl. Glockner a. a. O. S. 113 f. St A. 1898 S. 383 u. S. 401.