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Die Zahlen sind willkürlich gewählt, gleichwohl — oder deshalb —
beweist das Beispiel, daß es zu den unsinnigsten Folgen führen würde,
wollte man allen Kriegsschaden dem eigenen Staate aufbürden und könnte
dieser nicht aus einer von den Feinden zu zahlenden Kriegsentschädigung
Ersatz gewähren.
Mit der allgemeinen Haftung des Staates für Kriegsschaden kann
man also weder begrifflich noch im wirklichen Leben etwas anfangen. Man
wird daher nach anderen Gesichtspunkten zu suchen haben, die für eine Ver-
teilung des Kriegsschadens verwendbar sind. Im Laufe der Darstellung
haben sich schon die beiden Grundgedanken ergeben, die für die künftige
Regelung des Kriegsschadenersatzes maßgebend sein dürften, daß nämlich
ein besonderes Opfer für das allgemeine Wohl vorliegen müsse, und — oder:
daß besondere Schwierigkeiten der Erholung von dem Kriegsschaden vor-
handen sind. Ein besonderes Opfer für das allgemeine Wohl sehen wir
zunächst bei allen denen, die in Heer und Flotte ihre Gesundheit, wenn nicht
gar ihr Leben für die Verteidigung des Landes aufs Spiel gesetzt und ver-
loren haben. Dies ist das wichtigste und bedeutsamste Opfer, das der
einzelne dem Staate bringen kann. Deshalb muß hier vor allem, mag man
auch bei solchem Opfer nicht von vornherein an Ersatz denken, ein solcher
gegeben werden. Als zweiten, wichtigsten Fall der Aufopferung für das
Wohl des Ganzen muß der Grenzmarken des Reichs gedacht werden, denn
ihre Verwüstung, die im Rahmen der strategischen Pläne des Reiches hat
erfolgen müssen, ist das Opfer gewesen, durch das unser übriges Reichs-
gebiet von feindlicher Besetzung befreit geblieben ist.
Bei den übrigen Kriegsschäden wird gerade die Verbindung zwischen
Schaden und besonderem Vorteil der Gesamtheit weniger hervortreten, viel-
fach gar nicht vorhanden sein. Alsdann kommt für die Ersatzfrage wesentlich
in Betracht, ob der Geschädigte sich aus eigener Kraft erholen kann, und
wenn nicht, ob das Wohl des ganzen verlangt, daß diesem Teile der Be-
völkerung besondere Hilfe zuteil werde.
Es versteht sich von selbst, daß es für den Ersatz aller Kriegsschäden
die erste und wichtigste Frage ist: Können wir von unseren Feinden eine
Kriegsentschädigung erwirken und wieviel? Der #berblick über den Amfang
des Kriegsschadens hat gezeigt, um was für Summen es sich hier handelt,
und wenn man alles zusammenrechnet, was Staat und Volk lediglich in
Deutschland an Schaden erlitten haben, wird man eine Summe von
75 Milliarden Mark nicht als zu hoch gegriffen betrachten können. Dabei
ist aber zu bedenken, daß neben uns auch unsere Verbündeten: Österreich-
Ungarn, die Türkei und Bulgarien Ansprüche auf Kriegsentschädigung zu