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einen Punkt, von dem aus sich der Rechtsverkehr zwischen den Völkern neu
gestalten läßt. An verschiedenen Stellen ist schon solches Streben lebendig
geworden. Man hat vorgeschlagen, alles, was sich nach Friedensschluß an
Streitigkeiten zwischen den Angehörigen verschiedener Staaten abspielen
wird, besonderen, gemischten Gerichtshöfen zu übertragen. Den
Vorsitz soll ein Bürger eines neutralen Staates führen, als Beisitzer soll je
ein Richter der gegnerischen Staaten teilnehmen.
Das erste Bedenken gegen diesen Vorschlag betrifft die Personenfrage.
Für die Güte der Rechtsprechung kommt es nicht nur, ja nicht einmal
vorwiegend darauf an, welche Gesetze gelten, wie das Verfahren geordnet
ist und wie der Streit geführt wird, sondern die Persönlichkeit des
Richters ist einer der Grundpfeiler der Rechtspflege.
Was gemischte Gerichtshöfe bedeuten könnten, würde in erster Reihe von
der Auswahl der Richter abhängen. Es müßten Männer sein, die nicht nur
mit den Rechtsvorschriften der betreffenden Staaten vertraut wären, son-
dern auch mit den wirtschaftlichen und sonstigen Lebensverhältnissen. Sie
müßten besonders sprachenkundig sein. Und etwas Ersprießliches würden
solche Gerichtshöfe auch nur dann leisten können, wenn ihre Richter es
verständen, schnell und scharf aufzufassen, wiederzugeben und zu verarbeiten.
Trifft man hiernach die Auswahl, so ergibt sich, daß solche Arbeitskräfte
ohne eine entsprechende Vergütung nicht zu haben wären, und daß der
Haushaltplan einer solchen Völkerrechtsverwaltung nicht gerade billig sein
würde. Die Notwendigkeit weiter Reisen und längeren Aufenthalts im Aus-
lande würden die AUnkosten gegenüber denen der innerstaatlichen Rechts-
pflege erheblich erhöhen.
Schwer zu übersehen ist der mögliche Geschäftsumfang solcher Gerichts-
höfe. Der Rechtsverkehr zwischen den Völkern arbeitet schon jetzt mit ge-
waltigen Summen. Ein großer Teil dieses Handelsverkehrs vollzieht sich
aber ohne Rechtsstreit oder wird durch vereinbarte Schiedsgerichte,
meistens an den größeren Börsen der Welt, erledigt. Immerhin bleibt doch
ein nicht zu unterschätzender Teil übrig, und es handelt sich gerade hier um
sehr verwickelte und schwierige Rechtsfälle. Der Krieg hat diese Rechtsfälle
noch ganz bedeutend schwieriger gemacht. Sein Einfluß hat naturgemäß
auf die über die ganze Welt hin verstreuten Handelsbeziehungen viel un-
regelmäßiger und mannigfaltiger gewirkt als auf das, was sich innerhalb
eines einzelnen Staates abgespielt hat. Man wird also im Zweifel sein
können, ob die Fülle von Streitigkeiten, die hier zu besorgen ist, durch neue,
besondere Gerichtshöfe überhaupt wird bewältigt werden können.
Was nun das Verfahren betrifft, das vor solchen Schiedsgerichtshöfen
einzuschlagen wäre, so werden auch hier gewichtige Bedenken laut. Wenn