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entscheiden hat. Die Entwicklung des Rechtsverkehrs zwischen den Völkern
folgt ja im allgemeinen den Bahnen, die das innerstaatliche Recht gewandelt
ist. Auch bei dem staatlichen Recht hat es sich gezeigt, daß ein oberster
Gerichtshof für gewisse gemeinsame Grundfragen eine wichtige Quelle der
Rechtsbildung ist, und gerade in Deutschland haben wir in den obersten
Gerichtshöfen eine lebendige Grundlage nicht nur für die Einheit, sondern
auch für den Fortschritt des Rechts. So möchte auch ein internationaler
Schiedsgerichtshof, der zunächst nur als Obergericht die wichtigsten Grund-
fragen zu entscheiden hätte, den Rechtsverkehr zwischen den Völkern nicht
nur regeln, sondern auch fördern können.
4. Handelsverträge.
Eine der wichtigsten Grundlagen für den Wirtschaftsverkehr zwischen
den Völkern bilden beutzutage die Handelsverträge. Es ist bekannt, welche
langwierigen Verhandlungen dem Abschluß solch eines Handelsvertrages
zwischen mächtigen Staaten vorauszugehen pflegen. Der Krieg hat alle
diese Handelsverträge gelöst. Wenigstens wird in der Rechtswissenschaft
überwiegend die Ansicht vertreten, daß der Krieg diese Wirkung ausübt,
und im politischen Verkehr gilt sie auch als selbstverständlicht). Es fragt
sich daher, was soll nach Friedensschluß mit den Handelsverträgen werden?
Sollen die bei Ausbruch des Krieges geltenden wieder in Kraft treten? Soll
man im Frieden neue Handelsverträge vereinbaren, oder soll man ihren
Abschluß späterer Zeit überlassen?
Der Frankfurter Friede ist auch davon ausgegangen, daß die bei
Kriegsausbruch im Jahre 1870 zwischen Frankreich und den einzelnen deut-
schen Staaten bestehenden Handelsverträge aufgehoben seien. Man hat sich
aber nicht dazu entschlossen, im Friedensabschluß alsbald einen neuen
Handelsvertrag zu vereinbaren, sondern hat sich auf eine Meistbegünsti-
gungzsklausel beschränkt. «
Bismarck hat diesen Standpunkt in seiner Reichstagsrede vom 12. Mai
1871 folgendermaßen begründet:
„Es ist meines Erachtens nicht tunlich, im internationalen Ver-
kehr zwischen großen Völkern einen Handelsvertrag zu einer durch
Krieg erkämpften Bedingung zu machen, die der Souveränität eines
großen Volkes und der Beschränkung seines Gesetzgebungsrechts auf-
erlegt würde. Ich habe deshalb auch nicht darauf bestanden und
glaube nicht, daß die Maßregel praktisch gewesen wäre. Namentlich
:) S. die Bundesratsverordmung vom 10. 8. 14. R##l. 1914, 367
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