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schrittes der Menschheit darauf, daß der Weltverkehr es ermöglicht hat, alle
Erzeugnisse der Erdoberfläche für unsere Lebensführung zu verwerten. Ein
einzelnes Land von dem Welthandel und dem gegenseitigen Austausch der
Güter abzuschließen, würde zugleich bedeuten, seine Kulturentwicklung zu
unterbinden.
Suchen wir das Wesen der Wirkung zu erfassen, die der Krieg auf das
deutsche Gewerbe ausgeübt hat, so treten uns zwei Erscheinungen vor die
Augen. Erstens hat der Krieg das deutsche Gewerbe sehr ungleich-
mäßig betroffen. Der Teil, der für den Heeresbedarf liefern konnte,
hat nicht nur keinen Schaden, sondern einen erheblichen Nutzen erfahren.
Dagegen haben alle Gewerbszweige, die mit Heereslieferungen nichts zu
tun hatten, besonders also Gewerbe, die für den inländischen Luxusbedarf
oder für den ausländischen, durch den Krieg gesperrten Markt arbeiten,
schweren Schaden erlitten. Das Zweite, was uns besonders auffallen muß,
ist die Anpassungsfähigkeit deutscher Arbeitskraft. Gerade die
Ungleichmäßigkeit der Kriegswirkungen hat die deutschen Unternehmer dazu
gebracht, ihre Betriebe soviel als möglich den veränderten Verhältnissen
entsprechend umzuformen. Wir haben es allenthalben gesehen, daß durch
Aufnahme neuer, im Kriege absatzfähiger Gegenstände und durch zweck-
mäßige Organisation erreicht worden ist, den bei Ausbruch des Krieges
befürchteten wirtschaftlichen Zusammenbruch nicht nur auszuschließen,
sondern mit der Zeit ein Wirtschaftsleben zu gestalten, das trotz aller
Schwierigkeiten und trotz der langen Dauer des Krieges doch als erträglich
bezeichnet werden kann. Immerhin darf man sich nicht darüber täuschen,
daß allenthalben im deutschen Gewerbe der Kriegsschaden ganz beträchtlich
ist, und daß eine Reihe von AUnternehmungen sicherlich nur durch die
während des Krieges getroffenen Schutzmaßregeln des Reiches sich noch
aufrechterhalten hat.
Um diesen Kriegsschaden des deutschen Gewerbes richtig zu würdigen,
und um seine zukünftige Wirkung einigermaßen zutreffend in Rechnung
stellen zu können, muß man bedenken, welche Wirkung der Geldbedarf des
Deutschen Reiches auf die deutsche Wirtschaft ausgeübt hat und ausüben
wird. Es ist ohne weiteres klar, daß es für den Geld= und Wirtschaftsmarkt
Deutschlands von einschneidender Bedeutung sein muß, wenn das Reich
allein plötzlich rund 25 000 Millionen Mark für seine Zwecke verlangt.
Dieser gewaltige Betrag ist binnen wenigen Monaten fast ausschließlich
von den Bürgern des Deutschen Reiches selbst aufgebracht worden. Die
ganze bisherige Finanz- und Wirtschaftsgeschichte der Welt hat noch kein
Ereignis von solcher Größe gesehen. Gewiß ist der Erfolg der deutschen
Kriegsanleihen etwas Gewaltiges. Man darf sich aber nicht verhehlen,