Full text: Kriegsschäden und Kriegsschadenersatz.

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Der Handelsstand läßt sich von dem Gewerbe nicht trennen. 
Beide Zweige unseres Wirtschaftslebens sind immer engere Verbindungen 
miteinander eingegangen und hängen in ihren Ergebnissen voneinander ab. 
So ergibt sich, daß alles, was für den deutschen Handel zu sagen wäre, 
schon bei dem vorstehenden #berblick über das deutsche Gewerbe gesagt 
worden ist. Höchstens wäre noch besonders darauf hinzuweisen, wie schwere 
Einbuße der Handel durch den Schluß der Börsen erlitten hat. 
Eines Standes in unserem Wirtschaftsleben sei noch besonders gedacht, 
weil dieser Stand mehr als andere durch den Krieg Schaden erlitten hat, 
und weil ihm im großen und ganzen eine parlamentarische Vertretung fehlt, 
wie sie den übrigen Wirtschaftsgruppen zwecks Wahrnehmung ihrer Sonder- 
interessen zur Verfügung steht. Es ist dies der städtische Haus-und. 
Grundbesitz. Wie schweren Schaden der Krieg ihm gebracht hat, er- 
gibt sich schon aus einem kurzen Blick in die Bilanz eines Hausbesitzers. Auf 
der Seite der Einnahmen stehen die Mieten. Sie haben infolge des 
Krieges beträchtliche Einbuße erlitten. Eine große Zahl der Kriegsteil- 
nehmer hat gar keine oder nur einen Teil der Miete bezahlt. In den 
Kreisen der Mieter hat sich vielfach die Auffassung gebildet, daß bei dem 
Mietzins der Kriegspreis in einer Herabsetzung, nicht, wie sonst allenthalben 
in einer Erhöhung zu bestehen habe. Dazu kommt, daß einerseits bei den 
größeren Wohnungen infolge der durch den Krieg berbeigeführten Ein- 
schränkung aller Haushaltspläne die Nachfrage sich vermindert hat, anderer- 
seits bei den kleineren Wohnungen infolge der häufigen Zahlungsunfähigkeit 
der Mieter die Ausfälle sich erhöhen. 
Diesem Ausfall an Einnahmen steht nun die Ausgabenseite teils un- 
verändert, teils durch den Krieg erhöht gegenüber. Während der Mieter 
allzu leicht und allzu gern einen Nachlaß an der Miete verlangen zu können 
glaubt, denkt keine Steuerverwaltung und kein Hypothekengläubiger daran, 
Grundsteuern und Hypothekenzinsen zu ermäßigen. Stundung ist das ein- 
zige, was hier bewilligt wird. Gerade für den Grundbesitzer bedeutet aber 
die Stundung oft nur ein Hinausschieben des Zusammenbruchs. Zwischen 
Mieter und Vermieter besteht eben der große wirtschaftliche Anterschied 
darin, daß der eine für die Miete nur persönlich, der andere aber für 
Steuern und Hyppothekenzinsen persönlich und dinglich haftet. Eine große 
Zahl von Mietern wird durch die an sich erbeblichen, unerfüllt gebliebenen 
Mietsverpflichtungen wenig beschwert, da der Hauswirt bei offenkundiger 
Zahlungsunfähigkeit meistens davon absieht, sich durch gerichtliche Ver- 
folgung seiner Ansprüche noch unnötige Kosten zu machen. Der Haus- 
eigentümer dagegen steht mit seinem Grundstück immer dem Zugriff seiner 
Gläubiger offen, und wenn es auch oft für diese Gläubiger einen sehr
	        
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