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„ut omnium contributione sarciatur, quod pro omnibus
datum est“
zu unmittelbaren rechtlichen Folgerungen führen könne.
Dabei stellt er dann fest, daß gerade bei Kriegsschäden sowohl der
Gefahrenkreis, der für ein besonderes Opfer als beitragspflichtig anzusehen
sei, wie auch der Maßstab des Ersatzes sich nur schwer ermitteln ließe. Es
lägen eben hier „Endpunkte des zivilrechtlichen Schutzes
des Privatrechtsinteresses“ vor. Im Anschluß daran gibt
Ihering einige Ausführungen, die hier im Wortlaut folgen sollen, weil sie
auch heute noch für die Frage des Kriegsschadenersatzes von Bedeutung
sind.
„Es ist dies (der Kriegsschadenersatz) einer jener Fälle, wo die Rechts-
pflege sich außerstande sieht, die Forderungen, welche an sich in der Idee
der Gerechtigkeit gelegen sind, Zzu verwirklichen, und wo an ihrer Stelle
die Administration die Verpflichtung überkommt, ihnen gerecht zu werden,
das heißt für das Opfer, das dem einzelnen im Interesse des gemeinen
Wesens aufgelegt ist, aus öffentlichen Mitteln eine Entschädigung zu be-
wirken. Ich erblicke darin keine Maßregel der Billigkeit, sondern einen
Akt der Gerechtigkeit.
Es ist derselbe Rechts grundsatz, der bei Expropriationen im Interesse
des gemeinen Wesens in der allgemeinen gesetzlichen Anerkennung einer
Entschädigungsverpflichtung des Staates seinen Ausdruck gefunden bat..
Daß derselbe Gesichtspunkt auch für Opfer, die der Krieg für die einzelnen
als gewaltsam herausgegriffene Vertreter der Gesamtheit in seinem Ge-
folge hat, wie z. B. feindliche Kontributionen und Reaquisitionen, Platz
greife, darüber, meine ich, sollte im neunzehnten Jahrhundert kein Streit
bestehen. Die Ansicht, welche sich mit diesem Schaden einfach dadurch ab-
findet, daß sie dieselben achselzuckend für einen Kasus erklärt, für welchen
der Eigentümer ebensowenig Entschädigung begehren könne, wie für Blitz-
und Hagelschlag, ist ein A#berbleibsel jener rohen Anschauungsweise, welche
in dem Krieg ein Sistieren aller Rechtsgrundsätze erblickt. Der Krieg
ist eine Tat des Staates, und wenn der Staat im übrigen die Grundsätze
des Rechts auch für seine Beziehungen zu seinen Angehörigen als maß-
gebend anerkennt, wenn er z. B. die nötigen Geldmittel nicht einfach da
nimmt, wo er sie am leichtesten finden kann, sondern die Steuerlast über die
sämtlichen Staatsangehörigen verteilt, so muß er auch dasselbe tun rücksicht-
lich der Lasten des von ihm heraufbeschworenen Krieges. Das Gegenteil
ist in meinen Augen um nichts besser, als wenn der Staat die nötigen
Steuern durch eine Razzia beitreiben wollte.“