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Diese Ausführungen Iherings treffen den Kern der Sache. Aus all-
gemeinen Erwägungen heraus läßt sich für den einzelnen Fall des Kriegs-
schadens kein Ersatzanspruch herleiten. Die Grundgedanken unserer Rechts-
ordnung müssen aber dazu führen, für den einzelnen Krieg den Ersatz des
Kriegsschadens gesetzlich zu regeln, und zwar nicht von dem Standpunkt
heraus, daß damit dem einzelnen eine Gnade geschehe, sondern in dem Be-
wußtsein, daß solch ein Kriegsschadengesetz nur die Verwirk-
lichung des Rechtsgedankens sei.
Mit der Zeit hatte man es aufgegeben, auf die genannte Stelle der
Pandekten Kriegsschadenersatzansprüche zu stützen. Das preußische Land-
recht brachte eine neue Begründung. Unter naturrechtlichen Einflüssen hatte
man in der Einleitung des Landrechts einen Grundsatz aufgestellt, der auch
für Kriegsschäden anwendbar erschien. Die §§ 73—75 der Einleitung des
Landrechts versprechen Schadenersatz demjenigen, welcher seine besonderen
Rechte und Vorteile dem Wohle des gemeinen Wesens aufzuopfern genötigt
wird. Man wird freilich auch hier sagen können, bei dem größten Teil der
Kriegsschäden fehle es an der unmittelbaren Beziehung zwischen dem
Schaden und der Aufopferung zum gemeinen Wohl. Es hat aber doch in
Preußen Richter gegeben, welche auf diese Bestimmungen des Landrechts
hin einen Anspruch auf Ersatz von Kriegsschäden gegen den Staat zuerkannt
haben. Man ist sogar so weit gegangen, daß man aus allgemeinen Ge-
sichtspunkten der Schadenersatzlehre heraus den Staat für den Kriegsschaden
seiner Bürger verantwortlich gemacht hat. Als nach den napoleonischen
Kriegen solche Auffassungen in Preußen von den Gerichten gebilligt wurden
und sogar bei dem Obertribunal Anerkennung fanden, wurde auf Ver-
anlassung des Finanzministers diese Frage Gegenstand lebhafter Erörterun-
gen im Staatsministerium, und es kam dann endlich zu dem Bericht des
Preußischen Staatsministeriums vom 16. November 1831, der durch die
Kabinettsorder vom 4. Dezember 1831 in der preußischen Gesetzsammlung
veröffentlicht und dadurch „mit Gesetzeskraft bekleidet“ worden ist"). Diese
Kabinettsorder führte zu einem heftigen Streit über die Frage ihrer Gesetz-
mäßigkeit:). Es war freilich ein seltsamer Weg, den man damals eingeschlagen
hat, und man wird der Auffassung des damaligen Justizministers zu-
stimmen müssen, daß nicht ein durch eine Kabinettsorder veröffentlichter
–
1) Entscheid. des preuß. Obertribunals, Rd. 32, S. 164 und des Ge-
richtshofes z. Entsch. von Kompetenzkonflikten, Preuß. J. M. Bl
1856, 87; Anschütz im Verwaltungsarchiv 5, 71—95, und Kaufmann, Krieg-
führende Staaten als Schuldner S. 53—57.
2) Siehe die im Schriftenverzeichnis genannten Arbeiten von Klüber, Wiede-
mann, v. Bülow und Perrot.