Full text: Kriegsschäden und Kriegsschadenersatz.

47 
Diese Ausführungen Iherings treffen den Kern der Sache. Aus all- 
gemeinen Erwägungen heraus läßt sich für den einzelnen Fall des Kriegs- 
schadens kein Ersatzanspruch herleiten. Die Grundgedanken unserer Rechts- 
ordnung müssen aber dazu führen, für den einzelnen Krieg den Ersatz des 
Kriegsschadens gesetzlich zu regeln, und zwar nicht von dem Standpunkt 
heraus, daß damit dem einzelnen eine Gnade geschehe, sondern in dem Be- 
wußtsein, daß solch ein Kriegsschadengesetz nur die Verwirk- 
lichung des Rechtsgedankens sei. 
Mit der Zeit hatte man es aufgegeben, auf die genannte Stelle der 
Pandekten Kriegsschadenersatzansprüche zu stützen. Das preußische Land- 
recht brachte eine neue Begründung. Unter naturrechtlichen Einflüssen hatte 
man in der Einleitung des Landrechts einen Grundsatz aufgestellt, der auch 
für Kriegsschäden anwendbar erschien. Die §§ 73—75 der Einleitung des 
Landrechts versprechen Schadenersatz demjenigen, welcher seine besonderen 
Rechte und Vorteile dem Wohle des gemeinen Wesens aufzuopfern genötigt 
wird. Man wird freilich auch hier sagen können, bei dem größten Teil der 
Kriegsschäden fehle es an der unmittelbaren Beziehung zwischen dem 
Schaden und der Aufopferung zum gemeinen Wohl. Es hat aber doch in 
Preußen Richter gegeben, welche auf diese Bestimmungen des Landrechts 
hin einen Anspruch auf Ersatz von Kriegsschäden gegen den Staat zuerkannt 
haben. Man ist sogar so weit gegangen, daß man aus allgemeinen Ge- 
sichtspunkten der Schadenersatzlehre heraus den Staat für den Kriegsschaden 
seiner Bürger verantwortlich gemacht hat. Als nach den napoleonischen 
Kriegen solche Auffassungen in Preußen von den Gerichten gebilligt wurden 
und sogar bei dem Obertribunal Anerkennung fanden, wurde auf Ver- 
anlassung des Finanzministers diese Frage Gegenstand lebhafter Erörterun- 
gen im Staatsministerium, und es kam dann endlich zu dem Bericht des 
Preußischen Staatsministeriums vom 16. November 1831, der durch die 
Kabinettsorder vom 4. Dezember 1831 in der preußischen Gesetzsammlung 
veröffentlicht und dadurch „mit Gesetzeskraft bekleidet“ worden ist"). Diese 
Kabinettsorder führte zu einem heftigen Streit über die Frage ihrer Gesetz- 
mäßigkeit:). Es war freilich ein seltsamer Weg, den man damals eingeschlagen 
hat, und man wird der Auffassung des damaligen Justizministers zu- 
stimmen müssen, daß nicht ein durch eine Kabinettsorder veröffentlichter 
– 
  
1) Entscheid. des preuß. Obertribunals, Rd. 32, S. 164 und des Ge- 
richtshofes z. Entsch. von Kompetenzkonflikten, Preuß. J. M. Bl 
1856, 87; Anschütz im Verwaltungsarchiv 5, 71—95, und Kaufmann, Krieg- 
führende Staaten als Schuldner S. 53—57. 
2) Siehe die im Schriftenverzeichnis genannten Arbeiten von Klüber, Wiede- 
mann, v. Bülow und Perrot.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.