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bei Schadenvorgängen einen einzelnen Menschen weder als Ursache noch
als Schuldigen ermitteln konnte. Gleichwohl erschien es in solchen Fällen
unbillig, dem Geschädigten einen Ersatzanspruch zu versagen. So gelangte
man im Lauf des letzten Jahrhunderts durch die Ausbildung des Verkehrs-
und Wirtschaftslebens zu dem Gedanken, von vornherein bestimmte Personen
für jeden Erfolg haften zu lassen, der innerhalb des ihrer Verfügung
unterstehenden Gefahrenkreises vorkam. Dabei haben sich die verschiedensten
Abstufungen gebildet. In den wichtigsten Fällen hat man die Haftung des
Betriebsunternehmers eingeführt, von der aber der Nachweis befreit, es
habe unabwendbarer Zufall oder höhere Gewalt vorgelegen. Man spricht
in solchen Fällen in der Rechtswissenschaft von Erfolg-, Betriebs= oder Ge-
fährdungshaftung. Während die Gesetzgebungen unserer Zeit für die ver-
schiedensten solcher Gefahrenkreise Sondergesetze erlassen haben, so für
Eisenbahnen, Kraftfahrzeuge, Luftfahrt usw., hat sich die Rechtsanschauung
zugleich auch nach einer anderen Richtung hin entwickelt. Man verlangt,
daß die Frage des. Schadenersatzes nicht durch starre Rechtsregeln eingeengt,
sondern nach allgemeinen, großen Gesichtspunkten biegsam und entwick-
lungsfähig geordnet werde, wobei man entweder ganz allgemein den Ge-
danken der Billigkeit und Angemessenheit entscheiden lassen will, oder,
mit einer besonderen Färbung dieses Gedankens, die Ersatzpflicht nach dem
Grundsatz des wirtschaftlich kleinsten Schadens ent-
schieden haben möchte. Dieser letztere Gesichtspunkt wird insbesondere seit
den Arbeiten Matajas oft vertreten.
Als rechtliche Grundlagen für die Gewährung eines Schadenersatzes
stellen sich also nach der bisherigen Rechtsgeschichte die folgenden dar:
1. Ursache,
2. Verschulden,
3. Haftung für den Erfolg ohne Rücksicht auf Ursache und Schuld,
nur deshalb, weil der Ersatzpflichtige innerhalb des Gefahrenkreises
die Verfügungsmacht besitzt,
4. Haftung aus Billigkeitsgründen,
5. Haftung nach dem Grundsatz des wirtschaftlich geringsten Schadens.
Zwar sind alle diese Gedanken dem Kreise des bürgerlichen Rechts ent-
nommen, und bei dem Kriegsschaden handelt es sich nicht um dieses eine
Gebiet unserer Rechtsordnung, sondern auch, vielleicht sogar vorwiegend um
Staats- und Völkerrecht. Wenn wir aber daran gehen, eine Frage zu be-
arbeiten, die unser ganzes Recht angeht, wird die begriffliche Durchdringung
des Stoffes doch immer von den bisher am reifsten ausgebildeten Lehren