Full text: Kriegsschäden und Kriegsschadenersatz.

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Kriegführung oder für die Aufrechterhaltung der Wirtschaftsordnung. Hier 
sind vor allem die Vorschriften zu nennen, welche die Erzeugnisse der Land- 
wirtschaft und zwar zum Teil ganz allgemein die ganze Ernte des Landes 
beschlagnahmt haben. 
Alle diese Vorschriften haben die Frage der Entschädigung geregelt. 
Sie bestimmen, was für die dem Einzeleigentum zu entziehenden Gegen— 
stände an Ersatz zu gewähren sei. Auch das Verfahren ist genau geordnet. 
Es kann sich in diesem Umkreis nur darum handeln, in welcher Weise die 
okkupierten Gebiete hinsichtlich des dort beschlagnahmten deutschen Eigen- 
tums behandelt werden. Die Frage ist sehr wichtig, da gerade in Belgien 
und den von uns besetzten russischen Gebieten das dort befindliche deutsche 
Eigentum gewaltige Summen beträgt:). So wird z. B. allein das in Lodz 
angelegte deutsche Kapital auf rund eine Viertelmilliarde Mark geschätzt. 
Im Zusammenhang mit der Beschlagnahme steht vielfach ein gesetzlicher 
Zwang zur Veräußerung, der den einzelnen Eigentümern auf- 
erlegt worden ist. Mit Rücksicht darauf, daß solche Zwangsverkäufe regel- 
mäßig nur zu angemessenen Preisen angeordnet werden können, kann bier 
von Kriegsschaden kaum die Rede sein. Anders steht es mit den Maß- 
nahmen, welche die Wirtschaftsbetriebe des Deutschen Reiches 
getroffen haben. Hier kommen vor allem Landwirtschaft und Gewerbe in 
Betracht. Für die Landwirtschaft sind zu erwähnen das Verbot des Schlach- 
tens von Vieh (Röl. 1914 S. 405, 536; 1915 S. 515) und der Zwang 
zur Ackerbestellung (Rl. 1915, 210). Von den Gewerbezweigen, die 
sich schwere Eingriffe durch die Kriegsgesetzgebung haben gefallen lassen 
müssen, stehen voran die Bäcker, denen die Verordnungen über die Ver- 
wendung von Mehl und Milch den Betrieb oft erheblich geschädigt haben, 
ferner die Besitzer von Kraftfahrzeugen und Motorbooten (R#l. 1915, 
S. 113 und 485), ferner Branntweinbrennereien und Zuckerfabriken 
(Rsl. 1914, 467, 539;, 1915, 20, 60 u. a. m.). In diese Gruppe gehört 
auch eine Vorschrift, wie der für die Kohlenbergwerke eingeführte Syndi- 
katszwang (Röl. 1914, S. 427 und 535). Nicht nur neue reichsrecht- 
liche Vorschriften kommen hier in Betracht, sondern auch die Anwendung 
bestehender Gesetze und Bestimmungen auf den Kriegsfall, so z. B. die von 
den Polizeibehörden erlassenen Tanzverbote für Gastwirte. 
Das gesamte Wirtschaftsleben des Deutschen Reiches hat durch solche 
Einwirkungen von Gesetz und Staatsverwaltung einschneidende Aende- 
rungen erfahren, und damit auch allenthalben beträchtlichen Schaden. Es 
wäre aber sicher das ungerechteste Ding von der Welt, wenn jeder einzelne, 
  
1) S. die im Anhang genannten Vorschriften für Belgien und die Be timmu 
für die Reichsentschädigungskommission. naen
	        
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