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schaden behandeln. Es wird aber sicherlich in jedem unserer Bundesstaaten
Rechtskundige geben, die sich der Lösung dieser sicher oft nicht ganz ein-
fachen Aufgabe gern unterziehen werden. Da nach EG. zum BG.
Art. 109 das Landrecht hier in Kraft geblieben ist, kann auch eine sehr
weit zurückliegende Rechtsvorschrift auch heute noch für die Begründung von
Rechtsansprüchen auf Kriegsschadenersatz herangezogen werden. So könnte
denn auch die alte Frage noch aufleben, ob aus 1,1 pr. D. 14,2 solche An-
sprüche sich begründen lassen.
Bei den Vorschriften des preußischen Landesrechts handelt es sich in
der Hauptsache nur um die Frage, ob die §§ 73—75 der Einleitung des
Landrechts für unmittelbare und gerichtlich beizutreibende Ersatzansprüche
gegen den Staat Verwendung finden können. Ich habe die Frage bereits
oben verneint:!). Sie ist nicht nur in den dreißiger Jahren des vorigen
Jahrhunderts streitig gewesen, man hat auch jetzt verschiedene Meinungen
über sie geäußert. Während im allgemeinen wohl wegen der Kabinettsorder
vom 4. Dezember 1831 die Anwendbarkeit des § 75 der Einleitung des
A R. auch heute verneint wird, finden sich auch andere Stimmen, welche
erstens der Kabinettsorder von 1831 einen anderen Sinn beilegen und die
auf § 75 Ersatzansprüche zum wenigsten dann stützen wollen, wenn es sich
um besondere Eingriffe handelt, die planmäßig Einzeleigentum für staatliche
Zwecke in Anspruch nehmen, so z. B. Zerstörung von Häusern und Bäumen
zwecks Freilegung des Schußfeldes, Inbrandsetzung von Gegenständen,
welche der Kriegführung des Feindes dienen könnten, Räumung von Fa-
briken und dergleichen:). Man wird allerdings in solchen Fällen den un-
mittelbaren Zusammenhang zwischen dem Wohl des gemeinen Wesens und
der Aufopferung besonderer Rechte und Vorteile des einzelnen nachweisen
können. Es bleibt aber dann die Frage offen, ob der Rechtsweg zulässig sei,
und diese Frage wird man nach geltendem preußischem Recht doch im Sinne
der Kabinettsorder von 1831 zu entscheiden haben. Im übrigen sind wohl
keine Vorschriften des preußischen Landesrechts vorhanden, auf welche im
einzelnen Kriegsschadenersatzansprüche gestützt werden könnten.
Höchstens könnte man das sogenannte Tumultgesetz vom 11. März 1850
(GS. 1850 S. 199) in denjenigen Fällen heranziehen, in denen Ortschaften
in der Nähe des Kriegsschauplatzes von „plünderndem Gesindel“ heimgesucht
werden:). Das Gesetz von 1850 legt den Gemeinden die Pflicht auf, allen
Schaden zu ersetzen, der bei Zusammenrottungen oder einem Zusammenlauf
von Menschen durch offene Gewalt oder durch Anwendung der gegen diese
I) s. besonders: Arndt, Recht und Wirtschaft, 1915, 44; Kaufmann, Kriegführende
Staaten als Gläubiger und Schuldner; Lux, DJ3Z. 1914, 1350.
2) Lux, DJ3. 1914, 1350. «