2. Abschn. Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate. (89.) 79
Bundesstaate die Aufnahme nachgesucht habe, durch falsche Papiere glaub-
haft zu machen gewußt habe, daß er noch nie in Deutschland gewesen
sei; mit solchen Papieren werde ein schwunghafter Handel betrieben.
Es seien aber auch Fälle vorgekommen, in denen die Behörden eines
Bundesstaats dem Aufnahmegesuch eines anderwärts abgewiesenen Aus-
länders stattgegeben hätten, weil nach ihrer Ansicht für diesen Bundes-
staat die Sache anders gelegen habe als für den zuerst angegangenen;
und es sei vorgekommen, daß ein solcher Ausländer dann in den Bundes-
staat, der seinen Antrag abgelehnt hatte, zurückgekehrt sei und nun auch
dort habe aufsgenommen werden müssen.
Ferner sei auch an Fälle zu denken, in denen der Aufzunehmende
gar keine Niederlassung in einem anderen Bundesstaate gehabt habe,
aber von einem ausländischen Grenzort aus eine höchst unerwünschte
deutschfeindliche Agitation in den deutschen Grenzbezirken betrieben habe.
Suche ein solcher Ausländer in einem innerdeutschen Bundesstaate, woa
man ihn gar nicht kenne, die Aufnahme nach, so finde nach dem jetzt
geltenden Bundesratsbeschluß eine Anfrage bei einem anderen Bundes-
staat überhaupt nicht statt. Es könne dann vorkommen, daß der Aus-
länder aufsgenommen werde und nachher wieder in die Gegenden seiner
früheren Agitation zurückkehre, um dort die Aufnahme zu verlangen.
In den hier in Frage kommenden Fällen habe es sich übrigens nicht
nur um eine Gefährdung preußischer Interessen gehandelt, sondern häufig
umgekehrt darum, daß eine von den Preußen erteilte Naturalisation
einem anderen Bundesstaat oder dem Reichslande unerwünscht gewesen
sei. Um solchen Mißständen ein Ende zu machen, erscheine nur ein Weg
gangbar und das sei der einer vorherigen Rundfrage bei allen Bundes-
regierungen in jedem Falle der Aufnahme."
Der §9 ist der umstrittenste des ganzen Gesetzes. Eine stattliche
Reihe von Anträgen erstrebten, dem Ausländer das gleiche Recht auf
Einbürgerung einzuräumen wie dem Deutschen für die Aufnahme in jedem
Bundesstaate, die Gründe für die Versagung der Einbürgerung einzu-
schränken und festzulegen, dem Ausländer ein Recht auf Mitteilung der
Gründe der beabsichtigten Versagung und auf ihre Bekämpfung zuzu-
gestehen, einen Nachweis über die Entscheidungen des Bundeerats an den
Reichstag vorzuschreiben u. dgl. Die Mehrzahl der Anträge ist abgelehnt
worden; die übrigen haben in Abs. 1 Satz 2 und in Abs. 2 Ausdruck gefunden.
Der Bundesratsbeschluß vom 22. Januar 1891 hat zwar durch § 9
des R. u. StGes. seine Geltung verloren. Für die Beurteilung eines
Einbürgerungsgesuches ist aber nicht belanglos zu wissen, ob der An-