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Die ersten eroberten französischen und ruffischen Geschütze.
W.T. B. Berlin, 14. August. Vor dem Kaiserpalast in Straßburg
(Elsaß) stehen seit gestern nachmittag die vier ersten den Franzosen in der
Schlacht von Mülhausen abgenommenen Feldgeschütze, die von den Mann-
schaften unter dem Jubel der Bevölkerung eingebracht wurden. Ebenso
stehen vor dem Generalkommando in Allenstein vier eroberte russische
Geschütze.
Sozialdemokraten über den Krieg.
In der neuesten Ausgabe der „Sozialistischen Monatshefte“ beschäf-
tigen sich einige Führer der sogenannten Revisionisten mit dem Kriege und
der Stellung der Sozialdemokratie dazu. Der Reichstagsabgeordnete
Ludwig Quessel schreibt in einem Aufsatze über das Schicksal unseres
Volkes u. a. folgendes:
„Ein furchtbares Schicksal droht der Nation. Von Ost, West und
Nord stürmen die Feinde heran, sie niederzuwerfen. Das Volk, das im
Reich des Geistes die herrlichsten Bauwerke errichtet, dessen gewaltige sitt-
liche Kraft den modernen Sozialismus geboren, soll jetzt die Beute von
Völkern werden, deren Anlagen und Begabungen nirgendwo begeistertere
Anerkennung fanden als gerade auf deutscher Seite. Was die Feinde
Deutschlands planen, ist eine Versündigung an der Kultur und der Mensch-
heit überhaupt, die nimmermehr so hoch hätte steigen können, wenn deutsche
Geistesarbeit ihr nicht mit den Weg empor gebahnt hättte.... Wer
das deutsche Volk niederwerfen und für alle Zeiten ohnmächtig machen
will, trachtet danach, alle menschlichen Zukunftshoffnungen zu vernichten.
Die deutschen Arbeiter werden sich zu wehren wissen ... Was auch
immer die herrschenden Klassen gesündigt haben mögen: in diesem Augen-
blick, wo es sich um Sein oder Nichtsein handelt, steht die Arbeiterklasse
va der Fahne ihres Volkes, sie kämpft unter ihr für Gerechtigkeit und.
reiheit.“
Der Reichstagsabgeordnete Eduard Bernstein legt dar, daß Rußland
nur im Sinne seiner alten Machtansprüche jetzt sein Schwert für die groß-
serbische Verschwörung in die Wagschale geworfen habe. Rußland sei der
eigentliche und wahre Anstifter des gegenwärtigen Krieges. Seine Mobil-
machung sei eine Kriegsmaßregel, keine Friedensmaßregel gewesen. Daß
Frankreich mit Rußland gehen werde, sei zu erwarten gewesen; auch die
Stellungnahme Englands komme nicht überraschend. Die für die aus-
wärtige Politik Englands verantwortlichen Personen hätten schon früher
Abmachungen mit Rußland und Frankreich getroffen. Die Folgen dieser
ktatsiberdung werde England zu tragen haben. Dann fährt er wört-
ich fort:
„Indes ist es jetzt nicht an der Zeit, die Frage zu erörtern, welche
Motive die englische Regierung zu ihrem in jedem Betracht verwerflichen
Entschluß bestimmt haben. Jetzt handelt es sich nur darum, daß Deutschland
mit Oesterreich im Bund gegen seine Widersacher Sieger bleibt. Dazu
braucht es allerdings des Aufgebots aller Kräfte, über die die Nation ver-
fügt. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat dies anerkannt und
der Regierung die für die Kriegführung erforderlichen Mittel bewilligt.
Sie tat es aus reinem Pflichtgefühl für das Interesse des eigenen Volks,
ohne den geringsten Anflug von Chaupvinismus.“
Der Herausgeber der „Sozialistischen Monatshefte“ Dr. Josef Bloch