Full text: Der Weltkrieg 1914. Band 1. (1)

— 236 — 
zu sagen, der Minister wolle mir Vorschläge für die Neutralität Englands 
machen, selbst für den Fall, daß wir mit Rußland wie mit Frankreich Krieg 
hätten. Ich sehe Sir E. Grey heute nachmittag und werde sofort berichten.“ 
Zweitens um 76 Uhr abends: 
„Sir E. Grey las mir soeben die nachstehende Erklärung vor, die 
vom Kabinett einstimmig gefaßt worden war: 
„Ihe reply of the German Government with regard to the neu- 
trality of Belgium is a matter of very great regret, because the neu- 
trality of Belgium does affect feeling in this country. 1 Germany 
could see her way to give the same positive reply as that which has 
been given by France, it would materially contribute to relieve anxiety 
ond tension here, while on the other hand, if there were a viclation 
af the neutrality of Belgium by one combatant while the other re- 
spected it, it would be extremely difficult to restrain public feeling 
in this country.“ 
Uebersetzung: Die Antwort der deutschen Regierung bezüglich der 
Neutralität Belgiens ist ungemein bedauerlich, weil die Neutralität 
Belgiens die Gefühle dieses Landes angeht. Wenn Deutschland einen Weg 
sehen könnte, die gleiche positive Antwort zu geben wie diejenige, die von 
Frankreich gegeben worden ist, würde dies wesentlich dazu beitragen, die 
Besorgnis und die Spannung hier zu beheben, während es auf der anderen 
Seite äußerst schwierig sein würde, die öffentliche Stimmung in diesem 
Lande zurückzudämmen, wenn eine Verletzung der Neutralität Belgiens 
durch einen der Kämpfenden stattfände, während der andere sie respektierte. 
Auf meine Anfrage, ob er unter der Bedingungen, daß wir die 
belgische Neutralität wahrten, mir eine bestimmte Erklärung über die 
Neutralität Großbritanniens abgeben könne, erwiderte der Minister, das 
sei ihm nicht möglich, doch würde diese Frage eine große Rolle bei der hie- 
sigen öffentlichen Meinung spielen. Verletzen wir die belgische Neutralität 
in einem Kriege mit Frankreich, so würde sicherlich ein Umschwung in der 
Stimmung eintreten, die es der hiesigen Regierung erschweren würde, eine 
freundliche Neutralität einzunehmen. Vorläufig beständen nicht die ge- 
ringsten Absichten, gegen uns feindlich vorzugehen. Man würde dies, 
wenn irgend möglich, zu vermeiden wünschen. Es ließe sich aber schwerlich 
eine Linie ziehen, bis wohin wir gehen dürften, ohne daß man diesseits 
einschreite. Er kam immer wieder auf die belgische Neutralität zurück und 
meinte, diese Frage würde ebenfalls eine große Rolle spielen. Er habe sich 
auch schon gedacht, ob es nicht möglich wäre, daß wir und Frankreich uns 
im Falle eines russischen Krieges bewaffnet gegenüber stehen blieben, ohne 
uns anzugreifen. Ich frug ihn, ob er in der Lage wäre, zu erklären, daß 
Frankreich auf einen derartigen Pakt eingehen würde. Da wir weder 
Frankreich zerstören, noch Gebietsteile erobern wollten, könne ich mir 
denken, daß wir uns auf ein derartiges Abkommen einlassen würden, 
was uns die Neutralität Großbritanniens sichere. 
Der Minister sagte, er wolle sich erkundigen, verkannte auch nicht die 
Schwierigkeiten, beiderseitig das Militär in Untätigkeit zurückzuhalten.“ 
Drittens um ?29 Uhr abends: · « 
„Meine Meldung von heute früh ist durch meine Meldung von heute 
abend aufgehoben. Da positiver englischer Vorschlag überhaupt nicht vor- 
liegt, erübrigen sich weitere Schritte im Sinne der mir erteilten 
Weisungen.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.