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diese Suprematie zu erlangen. Sobald die Wahrheit über den Angriff
auf Lüttich bekannt wird, werden die Amerikaner ein ganz anderes
Urteil darüber haben, als durch die jetzt von Belgien, Frankreich und
England gefärbten Berichte. Tatsächlich belief sich die Anzahl der Trup-
pen unter General von Emmich, welche das stark befestigte Lüttich an-
griffen, auf nicht mehr als 5000 bis 6000 Mann Infanterie und
Kavallerie. Die Einnahme Lüttichs war eine der glänzendsten militä-
rischen Ereignisse der Jetztzeit. Was man als eine Arbeit von Wochen
berechnet hat, erledigen zwei Brigaden in Tagen. General von Emmich
wurde während der Schlacht leicht am Bein verwundet, aber er legte das
Kommando nicht nieder. Der Botschafter dementierte die Gerüchte, daß
der Kronprinz bei Lüttich verwundet worden sei, und fügte hinzu, daß
dies schon aus dem Grunde nicht möglich sei, weil der Kronprinz eine
Armee in Lothringen befehligte. Graf Bernstorff erklärte dann, daß
gerade zur Zeit seiner Abreise ein großer Sieg des Kronprinzen mit
leiner Armee bei Metz bekannt gemacht wurde. Ueber den Einfall der
Russen in Ostpreußen erklärte der Botschafter, daß diese Berichte auf
Wahrheit beruhten, aber dieser Teil der deutschen Grenze sei nicht be-
festigt, und über die Weichsel würden die Russen niemals kommen. In-
dem Graf Bernstorff dann erzählte, daß sich über den letzten Reservisten
hinaus noch 1 300 000 Freiwillige gemeldet hätten, fuhr er fort:
„Deutschland ist angegriffen worden und für diesen Krieg nicht verant-
wortlich. Bis zum letzten Mann werden wir unser Vaterland verteidigen.
Dieser Krieg hat keinen anderen Zweck, als Deutschland und Oesterreich-
Ungarn zu zerstören, aber wir glauben, daß wir der Welt zeigen können,
daß dies nicht möglich ist. Das deutsche Volk steht wie ein Mann. Es
ist nicht ein Krieg des Kaisers oder des Militarismus, wie viele geglaubt
haben. Es ist ein Krieg des deutschen Volkes. Ich bin alt genug, an
das Jahr 1870 zu erinnern und den Enthusiasmus, der damals im
deutschen Volke herrschte. In diesem Kriege ist die Begeisterung zehn-
mal größer als damals.“
Graf Bernstorff wiederholte dann die oft gegebenen Erklärungen der
größten Freundschaft Deutschlands für Amerika und erklärte, daß die
deutsche Regierung in Verbindung mit dem amerikanischen Botschafter
in Berlin, Mr. Gerard, alles getan habe, um den in Deutschland befind-
lichen Amerikanern die Lage zu erleichtern und sie auf ihren Wunsch so
schnell als möglich in ihr Vaterland zu befördern. (12. H. 14.)
General Freuchs Kriegsbericht.
Die „London Gazette“ vom 9. September bringt die nachfolgende,
vom Feldmarschall French herrührende Darstellung der bisherigen Ope-
rationen des englischen Expeditionsheeres:
Die Engländer nahmen am 22. August eine Stellung von Ath über
Mons bis Binche ein. Nach den Mitteilungen des französischen Haupt-
quartiers nahm ich an, daß ich höchstens zwei deutsche Armeekorps vor
meiner Front hatte. Unsere Stellung war vorzüglich. Am Abend des
23. August erhielt ich von General Joffre die unerwartete Meldung,
daß drei deutsche Armeekorps gegen meine Front vorgingen und ein
weiteres Korps eine Umgehungsbewegung von Tournay aus ausführte.
General Joffre teilte ferner mit, daß die französische Armee, die zur