Full text: Der Weltkrieg 1914. Band 1. (1)

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Der englische Premierminister hat in seiner Guildhall-Rede für Eng— 
land die Beschützerrolle der kleineren und schwächeren Staaten in Anspruch 
genommen und von der Neutralität Belgiens, Hollands und der Schweiz 
g#orochen die von Deutschland gefährdet sei. Es ist richtig, wir haben 
elgiens Neutralität verletzt, weil die bittere Not uns dazu zwang. Aber 
wir hatten Belgien volle Intregität und Schadloshaltung zugesagt, wenn 
es mit dieser Notlage rechnen wollte. Belgien wäre dann ebensowenig 
etwas geschehen, wie zum Beispiel Luxemburg. Hätte England, als Schützer 
der schwächeren Staaten, Belgien unendliches Leid ersparen wollen, dann 
hätte es ihm den Rat erteilen müssen, unser Anerbieten anzunehmen. „Se- 
schützt"“ hat es unseres Wissens Belgien nicht. Ist also England wirklich 
ein so selbstloser Beschützer? Wir wissen gennau, daß der französische Kriegs- 
plan einen Durchmarsch durch Belgien zum Angriff auf die unbeschützten 
Rheinlande vorsah. Gibt es jemand, der glaubt, England würde dann 
zum Schutze der belgischen Freiheit gegen Frankreich eingeschritten sein? 
Die Neutralität Hollands und der Schweiz haben wir streng respektiert 
und auch die geringste Grenzüberschreitung des Niederländischen Limburg 
peinlichst vermieden. Es ist auffällig, daß Herr Asquith nur Belgien, Hol- 
land und die Schweiz, nicht aber auch die skandinaopischen Länder erwähnt. 
Die Schweiz mag er genannt haben im Hinblick auf Frankreich. Holland 
und Belgien aber liegen England gegenüber an der anderen Küste des 
Kanals; darum ist England um die „Neutralität“ dieser Länder so besorgt. 
Warum schweigt Herr Asquith von den skandinavischen Reichen? Vielleicht 
weil er weiß, daß es uns nicht in den Sinn kommt, die Neutralität dieser 
Länder anzutasten? Oder sollte England etwa für einen Vorstoß in die 
Ostsee oder für die Kriegführung Rußlands die dänische Neutralität doch 
nicht für ein noli me tangere halten? Herr Asquith will glauben machen, 
daß der Kampf Englands gegen uns ein Kampf der Freiheit gegen die 
Gewalt sei. An diese Ausdrucksweise ist die Welt gewöhnt. Im Namen 
der Freiheit hat England mit Gewalt und einer Politik des rücksichtslosesten 
Egoismus sein gewaltiges Kolonialreich begründet. Im Namen der Frei- 
heit hat es noch um die Wende dieses Jahrhunderts die Selbständigkeit der 
Burenrepubliken vernichtet. Im Namen der Freiheit behandelt es jetzt 
Aegypten, unter Verletzung internationaler Verträge und eines feierlich 
gegebenen Versprechens, als englische Kolonie. Im Namen der Freiheit 
verliert einer der malayischen Schutzstaaten nach dem anderen seine Selb- 
ständigkeit zugunsten Englands. Im Namen der Freiheit sucht es durch 
Zerschneidung der deutschen Kabel zu verhindern, daß die Wahrheit in die 
Welt dringt. Der englische Ministerpräsident irrt. Seit England sich mit 
Rußland und Japan gegen Deutschland verband, hat es in einer in der Ge- 
schichte der Welt einzig dastehenden Verblendung die Zivilisation verraten 
und die Sache der Freiheit der europäischen Völker und Staaten dem 
deutschen Schwert zur Wahrung übertragen. 
gez. Bethmann Hollweg. 
Reiche Siegesbeute im Osten. — Günstige Kriegslage im Westen. 
Amtlich. (W.T.B.) 13. September. Auf dem westlichen Kriegsschau- 
platz haben die Operationen, über die Einzelheiten noch nicht veröffentlicht 
werden können, zu einer neuen Schlacht geführt, die günstig steht. Die vom 
Feinde mit allen Mitteln verbreiteten, für uns ungünstigen Nachrichten 
sind falsch. 
 
	        
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