Full text: Der Weltkrieg 1914. Band 1. (1)

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Oh, diese unvergleichtiche Einigkeit! Diese Fülle an Kraft, an 
Willensbetätigung! Dieser Einklang aller Gedanken, aller Seelen; dieses 
machtvolle „Amen“ der ganzen Rasse! . . .“ 
Und wie er nichtswürdig ist, der Gegner! Das ist kein menschliches 
Geschöpf, das ist ein Scheusal (ogre). Es verzehret nicht die kleinen 
Kinder, es läßt sie erwürgen. Es äschert nicht Rom ein, um sich in 
raffinierter Verkommenheit an dem Schauspiel zu weiden, es legt die 
Fackel an ärmliche Dörfer! Der kaiserliche Narr will das ganze All in 
Schrecken halten, sich brüsten vor der Welt, wie einst Alexander. Der 
Dakedonier nahm sich Dionysos zum Vorbild: der Preuße lauert wie 
der Drache auf sein Opfer. Sein Thron ersetzt ihm die Felsenhöhle. 
Den Franzosen und den Slawen will er zermalmen, beide zusammen, 
wie der kaldäische Isdurbar in jedem Arm einen jungen Löwen er- 
würgte. Er hat ein knechtisch ergebenes, brutales Volk dressiert, wie man 
Hunde abrichtet. Diese Riesenmeute hetzt er jetzt auf uns los, und wir 
werden große Mühe haben, uns zu verteidigen. Aber diesem Höllen- 
drachen fehlt das klare Ziel in seinem Wüten; seiner Blutrunst fehlt die 
Politik, und als einziger Genosse gesellt sich ihm nur ein heimtückischer, 
greisenschwacher Monarch zu. « 
Wir haben die Gewißheit, daß die Russen in einem Monat in 
Scharen in Berlin sein werden. Wenn Paris gelitten haben sollte, wird 
Berlin bezahlen. Monument um Monument, Grausamkeit um Grau— 
samkeit. Wir werden gerächt werden, wenn wir besiegt sein sollten. 
Welch erhebender Gedanke zu Beginn eines Krieges! Der Sieg mag 
auf sich warten lassen, sein Preis kann teuer sein, aber wir sind seiner 
sicher. Und welch ein Sieg! Die Aufteilung zweier Reiche, der rettungs- 
lose Untergang der Hohenzollern und der Habsburger. Unsere Söhne 
werden das germanische Schreckgespenst nicht kennen lernen, denn in 
sechs Monaten wird es kein Deutschland mehr geben. — 
Wir können nicht hassen und — gestehen wir es unumwunden zu 
— in der Freude, Elsaß-Lothringen wieder zu besitzen, wären wir im- 
stande, das Scheusal leben zu lassen, damit es uns in einigen Jahren 
aufs neue bedrohe. Aber England und Rußland werden das Untier nicht 
mehr loslassen. Sie werden ihm die Hauer und die Krallen ausreißen 
unde.es für immer außer Möglichkeit setzen zu schaden. « 
Wer hätte gedacht, daß der Lorbeer der Thermopylen noch einmal 
an den Ufern der Maas rauschen, daß das glückliche Belgien sich eines 
Tages des größten christlichen Heros, Gottfrieds von Bouillon, würdig 
erzeigen würde? Der Widerstand Davids brach die Wucht Goltiaths. 
Das konnte niemand wissen; das ist göttliche Ordnung. 
Und wie die Zukunft uns entgegenstrahlt, nach solcher Prüfung! 
Frankreich, Rußland, England geeint durch die Mischung ihres Blutes. 
Sie ergänzen sich durch die Verschiedenheit ihres Genies und verbürgen 
so die Weltharmonie. . 
Und endlich — welch zivilisierter Geist, welche christliche Seele ist 
nicht in Gedanken und Gebeten mit diesem dreifachen Heere, welches wie 
einst Herkules, Theseus und Perseus alles daran setzt, die Erde zu säubern 
von dem grauenhaften Ungeheuer, welches sie je getragen, von dem 
unmenschlichen, herzlosen Kaiser, für dessen asiatische Wildheit in Europa 
kein Platz ist.
	        
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