Full text: Der Weltkrieg 1914. Band 1. (1)

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Ebenso unglücklich ist der Reichskanzler in seiner Auslassung über 
das britische Kolonialreich. Soweit ging die englische Politik „in skrupel- 
loser Selbstsucht“, daß sie zum Ergebnis hatte: eine großartige, einmütige 
Kundgebung von Anhänglichkeit und von Begriff des gemeinsamen In- 
teresses seitens der britischen Länder und Besitzungen, worunter nicht 
eine Kolonie ist, die England in diesem Kriege nicht mit Soldaten oder 
anderer Hilfe unterstützt. 
Der Reichskanzler entschuldigt die Verletzung der belgischen Neutra- 
lität mit militärischen Notwendigkeiten. Zugleich rechnet er sich zur 
Tugend an, die Neutralität der Niederlande und der Schweiz geachtet zu 
haben und sagt, daß es ihm niemals einfallen würde, an die Neutra- 
lität der skandinavischen Länder zu rühren. Einer solchen Tugend, die 
nur geübt wird aus Rücksicht der eigenen Lebensinteressen, kann man 
sich in einer solchen Weise nicht rühmen. Auf die Schlußerklärung des 
Reichskanzlers, die Sache der europäischen Gerechtigkeit sei dem deutschen 
Schwerte anvertraut, ist die Behandlung Belgiens eine genügende 
Antwort.“ , 
Man braucht die Kundgebung des Reichskanzlers nur aufmerksam 
durchzulesen, um wahrzunehmen, daß die wuchtigen Anklagen, die er 
gegen England erhebt, in dieser matten Verteidigung auch nicht in einem 
einzigen Punkte widerlegt sind. Die Wahrheit, daß England, Frankreich 
und Belgien sich vor diesem Kriege verbündet hatten, um, wenn wir nicht 
zuvorkamen, den Krieg durch Belgien uns ins Land zu tragen, ist ebenso 
wenig aus der Welt zu schaffen, wie die Erinnerung der Dänen an die 
Beschießung von Kopenhagen und die Tatsache, daß nur durch die Köde- 
rung des burischen Eigennutzes die „Kriegsbegeisterung" des Kaplandes 
zu wege gebracht werden konnte. Und die Sympathie der überseeischen 
Kolonien wird sich sehr bald und sehr gründlich abkühlen, wenn erst — 
und Grey mag sich darauf verlassen, daß der Tag bald kommt — dort die 
ganze Wahrheit- darüber bekannt wird, in welch frivoler Weise unter 
heuchlerischem Vorwand Sir Edward Grey das Reich in diesen Krieg 
gestürzt hat. 
Ein englisches Schulschiff gesunken. 
W.T. B. London, 18. September. Die Admiralität gibt bekannt, 
daß das Schulschiff „Fisgard II“ im Kanal bei einem Sturm gesunken 
ist. Von der Besatzung von 64 Mann sind 21 ertrunken. 
Ernste Lage in Finnland. 
W.T.B. Kopenhagen, 18. September. Der „Berlinske 
Tidende“ wird aus Finnland geschrieben: 
„Man hoffte und sprach viel von Erleichterungen in Finnlands poli- 
tischer Stellung. Aber es erwies sich als leere Annahme. Generalgouver= 
neur Seyn fährt fort mit neuen Strafen gegen Zeitungen und Anklagen 
wegen Moajestätsbeleidigungen und Verletzung des Gleichstellungsgesetzes. 
Ueberall steht neues Militär, das die Verhältnisse nicht kennt und die 
vorgefaßte Meinung hat, daß Finnland ein revolutionäres Land sei. Der 
Generalgouverneur nahm neuerdings die Anklage gegen den Sportverein 
„Voima“ wieder auf, der von russischer Seite beschuldigt wird, Waffen 
und revolutionäre Proklamationen eingeschmuggelt zu haben. Der lang- 
jährige Prozeß, der im Jahre 1913 mit dem Freispruch der Angeklagten
	        
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