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erinnert man sich sehr wohl daran, in welch schamloser Weise von den
russischen Militärbevollmächtigten in Wien Spionage getrieben wurde
und wie glimpflich man sie laufen ließ. Auch der Pope der Wiener
russischen Botschaft war noch vor Ausbruch des Krieges der Spionage
überwiesen, trotzdem ließ man ihn ruhig in Wien und auch nach Aus-
bruch des Krieges wurde er nur in Verwahrungshaft genommen, obwohl
er ja in keiner Weise auf „Exterritorialität“ Anspruch machen kann,
wie dies bei einem konsularischen Vertreter der Fall ist. Die österrei-
chische Gutmütigkeit wurde wahrhaftig von den Russen durch diese bru-
talen Akte übel belohnt. Uebrigens dürften noch anderen österreichischen
Konsulatsvertretern das gleiche Schicksal widerfahren sein, da nur zwei
von ihnen bisher nach Oesterreich zurückgelangt sind.“
(Dtsch. Tagesztg. 476. 19. Sept.)
Sir E. Greys Arkanum für den „inneren Frieden“.
Rom, 19. September. „Giornale d'Italia“ bringt ein Interviem
mit dem Senator Grafen di San Martino, der von einer Reise durch
England und Frankreich zurückgekehrt ist, woraus folgende Sätze beson-
ders interessant sind: Am 22. Juli habe ein Diner stattgefunden, an
welchem Sir Edward Grey, Goschen und der frühere Schatzminister Lord
Murray teilgenommen hätten. Grey habe geäußert, die Vorgänge in
Irland seien gar nichts im Vergleich mit dem Konflikt, der Europa
drohe. Lady Murray, eine eifrige Parteigängerin Ulsters, habe über
die Schwierigkeiten in Irland gesprochen und gesagt: „Niemand ist ge-
willt, nachzugeben, und deshalb ist die Konferenz bei dem Könige ver-
gzeblich gewesen. Der Kampf wird täglich heftiger; wir stehen vor einem
Bürgerkriege, und ich sehe nur einen Ausweg: Nur ein Krieg gegen
Deutschland kann noch alle wieder einigen.
Die rechte Antwort.
Die „Nordd. Allg. Ztg.“ schreibt:
Kurz nach Ausbruch des Krieges haben englische Christen und
Missionsfreunde, offenbar unter dem Eindruck der öffentlich verbreiteten
Lügen über Revolution und völligen Zusammenbruch in Deutschland
und in der Erwartung, daß der Krieg für Deutschland mit einer schweren
Niederlage enden würde, Sammlungen zu veranstalten beschlossen, um
die kontinentalen Missionsgesellschaften zu unterstützen. Die Berliner
Missionsgesellschaft, hiervon auf dem Umweg über neutrales Ausland
benachrichtigt, hat im Einverständnis mit der Goßnerschen Mission er-
widert, daß sie durchaus nicht in der Lage sei, irgendwelche Unter-
stützungen von englischer Seite anzunehmen. Das siegreiche Deutschland
erfreue sich so wohlgeordneter, befestigter Verhältnisse, daß es seinen
Aufgaben, auch seinen Missionsaufgaben, ohne fremde Mithilfe ge-
wachsen sei. Aber auch wenn in Deutschland die bitterste Notlage be-
stünde, würden deutsche Christen zurzeit englische Unterstützungen unter
allen Umständen ablehnen müssen. Dagegen sei die wegen ihrer vortreff-
lichen Arbeit auch in Deutschland geschätzte Pariser protestantische
Missionsgesellschaft durch die furchtbare Niederlage Frankreichs in ihren
Lebensbedingungen so schwer bedroht, daß die deutschen Christen nur