Full text: Der Weltkrieg 1914. Band 1. (1)

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Das „verratene“ Belgien. 
Der militärische Mitarbeiter der in Gent erscheinenden Zeitung 
Laatste Nieuws bringt eine bezeichnende Zusammenstellung einiger offi- 
ieller Mitteilungen und Zeitungsaussprüche, die die Stimmung in 
elgien beleuchten: 
Am 17. August stand in einer offiziellen Note des Ministers: „Gebt 
dem Kaiser, was des Kaisers ist! Die französische Kavallerie hat 
nichts getan, um die Deutschen an der Maas aufzuhalten. Ruhm, das 
vollbracht zu haben, gebührt nur den Belgiern.“ 
Am 19. August hieß es offiziell: „Seit 15 Tagen erfüllt die Garnison 
in Lüttich heldenmütig ihre Aufgabe. Unsere Verbündeten sind noch 
nicht in der Lage, mit uns zusammenzuarbeiten, aber bald wird es dazu 
mmen.“ 
Am 21. August schrieb die Zeitung Flandre Libérale: „Wir müssen 
zugestehen, daß noch kein Engländer auf belgischem Boden ist. Das eng- 
lische Expeditionsheer ist in Dünkirchen und Calais ausgeschifft worden. 
Wir können jedoch nicht länger warten. Und die französischen Truppen 
sind zu weit entfernt, um uns zu Hilfe kommen zu können.“ 
Der Brüsseler Telegraaf äußert am 24. August: „Das Zögern der 
Franzosen ist nicht zu entschuldigen. Man hat unsere Jugend zur Schlacht- 
bank geführt mit dem tröstlichen Zuruf: Fürchtet nichts, die Franzosen 
kommen! Die Unseren haben heldenmütig gekämpft, Tag für Tag, aber 
Frankreich hat seine Pflicht nicht getan. Und ebensowenig die Eng- 
länder, die zwar nicht so rasch kommen konnten, wie unsere Nachbarn, 
denen wir all unser Verkehrsmaterial zur Verfügung gestellt haben. Und 
nun, da wir bereits verbluten, beginnen sie, ihren eigenen wohlstudierten 
Plan auszuführen, der darin besteht, ihr eigenes Land zu schonen, indem 
sie auf unserem Boden kämpfen.“ 
Montag, den 24. August, wurde offiziell mitgeteilt, daß die Verbün- 
deten nun endlich da wären, wo sie sein sollten, und daß Belgiens Aufgabe 
im Krieg erfüllt sei. Doch nun erfahren wir wieder, daß unser Heer 
zu neuen Aufgaben gebraucht wird. Minister Brocqueville hat dem 
Matin erklärt, daß wir vielleicht bald wieder in ein großes Treffen 
hineingezogen werden. Also sollen wir stets unseren Verbündeten Hilfe 
bringen, als ob diese darauf spekulierten, daß unser Land der Schauplatz 
für den Weltkrieg wird.“ 
Das Brüsseler „Vaterland“ klagt am 24. August darüber, daß die 
Regierung alles im rosigsten Lichte malt und so darstelle, als ginge alles 
nach ihrem Wunsch. „Ist vielleicht auch der ungestörte Marsch der 
Deutschen von Lüttich durch Brabant nach Westflandern von unserer Re- 
gierung sinnreich geplant worden? Sollen wir aus Vaterlandsliebe an 
die Siegesnachrichten der Regierung glauben? Daß die Engländer und 
Franzosen nichts unternehmen, ist auch eine Kriegslist! Rein, der eng- 
lisch-französische Plan ist klar: Die Deutschen sollen Belgien überrumpeln, 
worauf man sie wieder von der französischen Grenze zurücktreiben will. 
Aber was auf diesem Rückzug vernichtet und zerstört wird, sollen wir 
bezahlen. Unsere Mitbürger sind entwaffnet, und wir sind der Ver- 
nichtung preisgegeben. Hat man das bedacht?“ 
(Hamburger Nachr. 439. 19. September.)
	        
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