Full text: Der Weltkrieg 1914. Band 1. (1)

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alles, was wir können, aber Improvisation bleibt Improvisation, und 
wenn wir nicht auf einen schon vorhandenen Truppenstamm aufbauen, 
sondern versuchen, Bataillone, Batterien und Schwadronen aus dem 
Nichts zu konstruieren, dann ist das eine schwere Aufgabe, und eine Welt 
von Chaos und Verwirrung liegt zwischen der Einstellung des Rekruten 
und der Schaffung des ausgebildeten Mannes. Wir sind ja stolz darauf, 
daß das Land auf den Ruf nach Rekruten eine so schöne Antwort gegeben 
hat, (22) aber schillernde Worte in glühenden Reden dürfen uns nicht 
verleiten, zu glauben, wir hätten Armeekorps oder Armeen, wenn wir 
Menschen haben. Noch viele Monate hindurch müssen wir mit den Leuten 
unsere Schlachten schlagen, die wir im Frieden ausgebildet haben, und 
erst dann können wir anfangen, daran zu denken, unsere improvisierten 
Truppen ins Feld zu stellen, wenn lange Monate verstrichen oder wenn 
die feindlichen Truppen durch die Gefechte und Anstrengungen so mit- 
genommen find, daß sie nicht mehr die Kraft haben wie im Anfang des 
rieges. 
Die ausgebildeten Truppen, die wir haben und sofort in Europa 
verwenden können, belaufen sich etwa auf acht Infanterie= und zwei 
Kavalleriedivisionen, außer den Divisionen, die uns Indien überlassen 
kann, im ganzen gegen 250 000 Mann, und sie können durch Reserve- 
brigaden, die aus den besonderen Reservebataillonen zusammenzustellen 
sind, verstärkt werden. Durch die Ersatzformationen können wir die 
Armee ständig auf dieser Ziffer von einer Viertelmillion halten, und es 
ist unsere erste Pflicht, unsere Truppen auf diesem Bestande zu halten 
und alle anderen Erwägungen dahinter zurückzustellen. Eine beträcht- 
liche Zeit wird darüber hingehen, bis wir zu etwas kommen, was wir 
eine Reserve-Feldarmee nennen können, aufgestellt aus den Territorial- 
divisionen und berittenen Brigaden, aus den kanadischen und anderen 
ähnlich ausgebildeten Kontingenten und aus den Ulsterer Freiwilligen. 
Einige dieser Truppen werden schneller bereit sein als andere, und sie 
alle werden etwa vom nächsten Dezember an einen ständigen Zufluß zu 
den Verstärkungen auf dem Kriegsschauplatz liefern. Wir haben jetzt 
die erste halbe Million für die neue Armee gefunden, (772) und wir 
sind in der Lage, eine zweite halbe Million aufzustellen, 
wenn wir die Leute finden. 
Vielleicht ist kein Volk der Erde besser imstande, Armeen zu improvisieren 
als wir, aber das erfordert Zeit. Gute Offiziere, gute Unteroffiziere, 
Kanonen, Gewehre und Munitionswagen erfordern Zeit zur Herstellung, 
und ohne eine Schar von ausgebildeten Berufsoffizieren und Berufs- 
unteroffizieren ist es äußerst schwierig, brauchbare Truppen zu schaffen. 
Um eine Million Mann ins Feld zu stellen und im Felde zu erhalten, 
müssen wir drei Mann beim Stamm für je fünf im Felde haben, und 
der Vorrat an Gewehren, Uniformen — die Winterausrüstung nicht zu 
vergessen — und anderen Ausrüstungsstücken muß dem entsprechen. Nur 
Enttäuschung kann das Ende sein, wenn wir meinen, wir könnten in 
sechs Monaten nachholen, wozu Deutschland ein halbes Jahrhundert 
angestrengter Arbeit gebraucht hat. Man glaubt bei uns, Deutschland 
habe seinen Vorrat an Männern erschöpft, weil wir jetzt hören, daß der 
Landsturm und junge Leute für die Etappenlinien verwandt werden. 
Aber das ist der richtige Platz für sie. Selbst wenn Deutschland den
	        
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