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müsse, liefen in den nächsten Tagen in raschem Tempo die Nachrichten
über die russische Mobilisierung ein. Am 29. Juli ordnete die russische
Regierung die Mobilisierung in Süd= und Südwest-Rußland an, die am
30. auf 23 Gouvernements ausgedehnt wurde. Jetzt fehlte, wenn Rußland
den Krieg herbeiführen wollte, nur noch ein Schritt, die Gesamtmobil-
machung des russischen Heeres.
Diese wurde, während die Bemühungen des Deutschen Kaisers um
den Frieden bei entgegenkommender Aufnahme in Wien fortdauerten,
am 31. Juli, vormittags, in Petersburg anbefohlen. Noch um 2 Uhr
nachmittags am gleichen Tage aber telegraphierte der Zar an den Kaiser,
es handle sich hierbei lediglich um durch Oesterreichs Mobilisierung nötig
gewordene „militärische Vorbereitungen“, deren Einstellung aus technischen
Gründen unmöglich sei; er gab gleichzeitig sein feierliches Wort, daß er
weit davon entfernt sei, den Krieg zu wünschen.
Bei so offenbarer Doppelzüngigkeit der russischen Politik wäre ein
weiterer Aufschub auf unserer Seite geradezu ein Verbrechen gegen
Deutschlands Sicherheit und vor dem deutschen Volk nicht mehr zu verant-
worten gewesen. Daher erhielt am gleichen 31. Juli der kaiserliche Bot-
schafter in St. Petersburg den Befehl, der russischen Regierung zu eröffnen,
daß Deutschland als Gegenmaßregel gegen die allgemeine russische Mobil-
machung vorläufig den Kriegszustand in Deutschland verkündet habe,
dem die Mobilisation folgen müsse, wenn Rußland seine militärischen
Maßnahmen nicht binnen zwölf Stunden einstelle. Hierauf hat die rus-
sische Regierung überhaupt keine Antwort gegeben, und es blieb der
deutschen Regierung nichts übrig, als der russischen nach Ablauf der gestell-
ten Frist am 1. Aug. erklären zu lassen, daß wir uns als im Kriegszustand
mit ihr befindlich betrachteten. Schon am 1. August rückten russische
Truppen auf deutsches Gebiet vor, und Rußland begann damit den
Krieg gegen uns.
Dies ist in lückenloser chronologischer Folge der Sachverhalt. Es
bleibt allen nachträglichen Ausarbeitungen englischer Diplomaten zum
Trotz bei dem, was der Reichskanzler bereits am 3. August in seinem dem
Reichstage vorgelegten Weißbuche ausgesprochen hat: „Die russische
Regierung hat durch ihre Mobilmachung die mühsame Vermittlungsarbeit
der europäischen Staatskanzleien kurz vor dem Erfolge zerschlagen. Die
Mobilisierungsmaßregeln in Verbindung mit ihrer fortgesetzten Ableug-
nung zeigen klar, daß Rußland den Krieg wollte. Und England auch.
Eine einfache Erklärung aus London nach St. Petersburg, daß pan-
slawistische Bestrebungen Rußlands gegen Oesterreich-Ungarn durch den
Dreiverband nicht gedeckt seien, hätte genügt, um die russische Kriegslust
zu dämpfen. Und auch Frankreich würde sich, beim Abrücken Englands
von der Begünstigung einer allslawischen Politik, dem Bündnisfall haben
entziehen können.
Schließlich erinnern wir an den von uns in Nr. 219 vom 12. d. M.
veröffentlichten Bericht des königlich belgischen Geschäftsträgers in St.
Petersburg, Herrn B. de I-Escaille, der unter dem 30. Juli dem belgischen
Minister der auswärtigen Angelegenheiten meldet: „Unbestreitbar bleibt,
daß Deutschland sich hier (St. Petersburg) ebensosehr wie in Wien bemüht
hat, irgendein Mittel zu finden, um einen allgemeinen Konflikt zu ver-
meiden, daß es dabei aber einerseits auf die feste Entschlossenheit des
Wiener Kabinetts gestoßen ist, keinen Schritt zurückzuweichen, und ander-