Full text: Der Weltkrieg 1914. Band 1. (1)

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Das deutsche Weißbuch. 
Die nachstehende vorläufige Denkschrift nebst Aktenstücken zum 
Kriegsausbruch ist heute dem Reichstag zugegangen. (4. August.) 
Am 28. Juni d. J. ist der österreichisch = ungarische Thronfolger 
Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin, die Herzogin von 
Hohenberg, durch Revolverschüsse des Mitglieds einer serbischen Ver- 
schwörerbande niedergestreckt worden. Die Untersuchung des Verbrechens 
durch die österreichisch-ungarischen Behörden hat ergeben, daß das Kom- 
plott gegen das Leben des Erzherzog-Thronfolgers in Belgrad unter 
Mitwirkung amtlicher serbischer Personen vorbereitet und gefördert, mit 
Waffen aus den staatlichen serbischen Depots ausgeführt wurde. Dies 
Verbrechen mußte der ganzen zivilisierten Welt die Augen öffnen, nicht 
nur über die gegen den Bestand und die Integrität der österreichisch- 
ungarischen Monarchie gerichteten Ziele der serbischen Politik, sondern 
auch über die verbrecherischen Mittel, die die großserbische Propaganda 
in Serbien zur Erreichung dieser Ziele anzuwenden sich nicht scheute. 
Das Endziel dieser Politik war die allmähliche Revolutionierung und 
schließliche Lostrennung der südöstlichen Gebietsteile der österreichisch- 
ungarischen Monarchie und ihre Vereinigung mit Serbien. An dieser 
Richtung der serbischen Politik haben die wiederholten und feierlichen 
Erklärungen, in denen Serbien Oesterreich-Ungarn gegenüber die Ab- 
kehr von dieser Politik und die Pflege guter nachbarlicher Beziehungen 
gelobt hat, nicht das geringste geändert. Zum dritten Male im Laufe 
der letzten sechs Jahre führt Serbien auf diese Weise Europa an den 
Rand eines Weltkrieges. Es konnte dies nur tun, weil es sich bei seinen 
Bestrebungen durch Rußland gestützt glaubte. Die russische Politik war 
bald nach den durch die türkische Revolution herbeigeführten Ereignissen 
des Jahres 1908 daran gegangen, einen gegen den Bestand der Türkei 
gerichteten Bund der Balkanstaaten unter seinem Patronat zu be- 
gründen. Dieser Balkanbund, dem es im Jahre 1911 gelang, die Türkei 
siegreich aus dem größten Teil ihrer europäischen Besitzungen zu ver- 
drängen, brach über der Frage der Beuteverteilung in sich zusammen. 
Die russische Politik ließ sich durch diesen Mißerfolg nicht abschrecken. In 
der Idee der russischen Staatsmänner sollte ein neuer Balkanbund unter 
russischem Patronat entstehen, dessen Spitze sich nicht mehr gegen die 
aus dem Balkan verdrängte Türkei, sondern gegen den Bestand der 
österreichisch-ungarischen Monarchie richtete. Die Idee war, daß Serbien 
gegen die auf Kosten der Donaumonarchie gehende Einverleibung Bos- 
niens und der Herzegowina die im letzten Balkankriege erworbenen 
Teile Mazedoniens an Bulgarien abtreten sollte. Zu diesem Behufe 
sollte Bulgarien durch Isolierung mürbe gemacht, Rumänien durch 
eine mit Hilfe Frankreichs unternommene Propaganda an Rußland ge- 
kettet, Serbien auf Bosnien und die Herzegowina gewiesen werden. 
Unter diesen Umständen mußte Oesterreich sich sagen, daß es weder 
mit der Würde noch mit der Selbsterhaltung der Monarchie vereinbar 
wäre, dem Treiben jenseits der Grenze noch länger tatenlos zuzusehen. 
Die K. und K. Regierung benachrichtigte uns von dieser Auffassung und 
erbat unsere Ansicht. Aus vollem Herzen konnten wir unserem Bundes- 
genossen unser Einverständnis mit seiner Einschätzung der Sachlage geben 
und ihm versichern, daß eine Aktion, die er für notwendig hielte, um 
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