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Die Schuld des Königs der Belgier an dem Krieg.
Frankfurt a. M., 3. Oktober. Von einer Stelle, die auf Grund
ihrer amtlichen und persönlichen Beziehungen als wohlunterrichtet an-
gesecheen werden darf, gehen der „Frankf. Ztg.“ Mitteilungen zu, die das
Verhalten des Königs der Belgier vor dem Kriege und in dessen Verlauf
in einem ganz neuen Lichte erscheinen lassen. Das Blatt gibt die ihm
gewordene Mitteilung unverändert wieder:
HKüanig Albert wurde von Paris aus für den Plan Frankreichs und
Englands gewonnen. Sein Vertrauter war in diesen Verhandlungen
der belgische General Jungblout, der zwar von deutscher Abstammung,
aber ein großer Deutschenhasser ist. Von englischer Seite trat später Lord
Curzon, der frühere Vizekönig von Indien hinzu, auf dessen Besitzung sich
zurgeit die belgischen Königskinder befinden. Sowohl in Paris als auch
in London hat König Albert zu verstehen gegeben, daß er die politische
Ansicht seines Onkels Leopold hinsichtlich der Haltung Belgiens gegen
Frankreich und England nicht teile, und daß er sich seine eigene Kolonial-
politik zurecht gelegt habe. Hier setzen die englisch-französischen Ver-
sprechungen ein. Der König der Belgier hatte nicht geringe Mühe, sein
Ministerium zu den neuen Ansichten zu bekehren. Dies gelang ihm erst
im Frühjahr 1914, wo mit Frankreich und England eine Art Militär-
konvention geschlossen wurde. Zur selben Zeit versuchte König Albert als
Agent der Tripleentente einen Bund der neutralen europäischen Staaten
zu gründen, um den Dreibund oder vielmehr Deutschland von Oesterreich
vollständig zu isolieren. Holland wurde merkwürdigerweise zuerst miß-
trauisch, und dieser Umstand ließ den ganzen Plan scheitern. Als Ende
Juli 1914 sich die Situation sehr verschärft hatte, schreckte das belgische
Ministerium vor der drohenden Verantwortung zurück. Hinter dem
Rücken seines Ministeriums sandte daher König Albert die mit Lord
Curzon vereinbarte Depesche an den König von England, um ihn zu bitten,
die Neutralität Belgiens zu schützen. Die Königin war von Anfang an in
die Pläne des Königs eingeweiht. Sie hatte bisher nicht ein Wort des
Tadels für die schrecklichen Mißhandlungen gefunden, denen insbesondere
hilflose deutsche Mädchen aus Brüssel und Antwerpen ausgesetzt waren;
hingen hat es die Königin über sich gebracht, dem Minister Vandervelde
einen eigenhändig geschriebenen Brief auf seine Reise nach Amerika mit-
zugeben. Um auf den Präsidenten Wilson den nötigen Eindruck zu machen,
sind in diesem Brief die „Barbareien“, welche deutsche Soldaten an Bel-
giern begangen haben, eindringlich geschildert. (Tägl. Rundschau, 4. Okt.)
Reims neun Tage lang bombardiert.
London, 2. Oktober. „Daily Telegraph“ meldet aus Paris: Das
Bombardement von Reims dauert nun schon neun Tage an. Fast alle Ein-
wohner verließen die Stadt. Die letzten Tage mußten sie in den Kellern
zubringen. (Germania, 4. Okt.)
Der Kaiser bei der dritten Armee.
Dresden, 3. Oktober. Der König von Sachsen hat am 2. Oktober
folgendes Telegramm des Kaisers erhalten:
Es gereicht Mir zur größten Freude, Dir von neunzehnten Armee-
korps und zwölften Reservekorps das Beste melden zu können. Ich habe
gestern die dritte Armee besucht, speziell das brave 181. Regiment begrüßt